Abnahme

Umsetzung EU-Taxonomie in der Finanzbranche

Marktumfeld trennt Spreu von Weizen.

Marktteilnehmer erleben im Jahr 2022 eine Zeitenwende – explodierende Rohstoff- und Energiepreise sowie steigende Zinsen schaffen ein völlig neues Marktumfeld, in dem sich die Spreu vom Weizen trennt. Dies betrifft auch die Immobilienbranche. Dazu kommen unsichere regulatorische Rahmenbedingungen, wie offene Fragen rund um die EU-Taxonomie zeigen. Wie diesen Herausforderungen begegnet werden kann, zeigten die Expertinnen und Experten auf dem 2. Deka Institutionell Immobilientag auf.

Oktober 2022

Die EU-Taxonomie kämpft auch über zwei Jahre seit ihrem Inkrafttreten mit enormen Startschwierigkeiten. Denn die Umsetzung gestaltet sich herausfordernd: So drohen verschiedene Umweltschutzorganisationen mit Klagen vor dem Europäischen Gerichtshof, sollten Erdgas und Atomenergie weiterhin als nachhaltig klassifiziert werden. Für die Immobilienbranche kommt diese regulatorische Unsicherheit zur Unzeit – steht sie doch durch das neue Marktumfeld und die sich rasant wandelnden Ansprüche der Mieter bereits vor unterschiedlichsten Herausforderungen. Welche Themen beschäftigen Investoren, Vermögensverwalter und Projektentwickler aktuell und wie gehen sie damit um? Der Deka Institutionell Immobilientag 2022 bot Gelegenheit zur Standortbestimmung.

Gestiegene Kosten für Energie und Rohstoffe sorgen derzeit auch in der Immobilienbranche für Sorgenfalten – bei der Erstellung, aber auch mit Blick auf die potenzielle Mieterschaft. „Durch die ansteigenden Zinsen und den Stopp vieler großer Bauprojekte ist damit zu rechnen, dass der Mietmarkt deutlich anziehen wird“, so Manfred Wachtler, Vorstand der SÜBA AG. „Für viele Mieterinnen und Mieter wird dies immer schwieriger zu stemmen. Da müssen wir am Markt massiv gegensteuern und Produkte anbieten, die beispielsweise durch niedrigere Betriebskosten die steigenden Mieten ausgleichen. Das erfordert auch ein Umdenken in der Politik.“ So müssten etwa die Genehmigungsprozesse für Photovoltaikanlagen deutlich verschlankt werden. Darüber hinaus setze dies aber auch den Einsatz anderer, nachhaltiger Technologien voraus: „Das Konzept für unsere Gebäude ist, dass sie ohne fossile Energieträger betrieben werden können. Dazu nutzen wir beispielsweise Geothermie, Baukernaktivierungen, Grundwasserheizungen, Luftwärmepumpen oder Photovoltaik auf Dächern und Fassaden. Aktuell beschäftigen wir uns intensiv mit dem Thema Warmwasseraufbereitung – hier gibt es teilweise noch Energieverluste von bis zu 30 Prozent, das lässt sich sicherlich noch optimieren.“

Allerdings scheint das Thema Nachhaltigkeit durch die zahlreichen Krisen vorerst aus dem Fokus vieler Akteure verschwunden zu sein: der Ukrainekrieg, die Corona-Pandemie, steigende Zinsen, eine explodierende Inflation und hohe Energiekosten dominieren aktuell den öffentlichen Diskurs, so Marianne Ullrich, Nachhaltigkeitsbeauftragte im Portfoliomanagement der Deka. „Wir beobachten, dass viele Investoren zurzeit von anderen Fragen getrieben werden. Insbesondere die Auswirkungen der Pandemie auf die Lieferketten und Produktionsprozesse sowie die zunehmenden Wetterextreme beschäftigen die Marktteilnehmenden.“

Relevanz von Nachhaltigkeit unverändert.

Auch Christiane Conrads, Global Real Estate ESG Leader von PWC, sieht die zahlreichen Herausforderungen für die politischen Entscheidungsträger. Auch wenn kurzfristig Themen wie Versorgungssicherheit in den Vordergrund rücken, bleibt das übergeordnete Bild hin zu höheren Nachhaltigkeitsstandards unverändert. Denn: „ESG ist völkerrechtlich und regulatorisch getrieben – aber vor allem auch von Stakeholdern gefordert. Und hier sehen wir ganz deutlich, dass das Thema immer weiter an Bedeutung zunimmt. Wir hören beispielsweise von Projektentwicklern von Büroimmobilien, dass die Ansprüche der Kundschaft immer weiter zunehmen und ihre Gebäude teilweise schon vor der Fertigstellung den Anforderungen von Nutzern, Finanzierern und Käufern nicht mehr genügen. Auch wenn die Politik aus einer Notsituation heraus nachhaltige Bemühungen kurzzeitig hintenanstellt, wie beispielsweise in der aktuellen Diskussion um Atomenergie, geht die Tendenz grundsätzlich ganz klar zu höheren Umweltstandards, einem breiteren Verständnis von sozialen Mindestanforderungen und mehr Verantwortung für die Investoren.“

Der grundlegende Trend zu mehr Nachhaltigkeit mit höheren Standards und mehr Verantwortung für Investoren bedeutet künftig noch strengere regulatorische Vorgaben für die Industrie und den Finanzsektor. Damit bleibt das regulatorische Risiko für einige Branchen hoch: „Große Zementhersteller etwa sind für nachhaltig ausgerichtete Fonds aufgrund des zu hohen CO2-Ausstoßes schon länger nicht mehr investierbar“, so Marianne Ullrich.

Mit diesem Risiko müssen sich natürlich auch Fondsanbieter wie die Deka auseinandersetzen. Gleichzeitig bietet es ein gutes Argument für die Integration von ESG in Investmentprozesse, lassen sich doch auf diese Weise Risiken identifizieren und quantifizieren. Umgekehrt ließen sich so die Vorteile einer ESG-Integration für Investoren greifbar machen, erläutert Esteban de Lope Fend, Geschäftsführer der Deka Immobilien. „Für viele Investoren ist der springende Punkt beim Thema ESG immer noch auch die Frage: Wieviel Rendite kostet es mich oder wie viel Rendite verliere ich, wenn ich es nicht mache? Unsere Kundinnen und Kunden wollen mit ihren Investments Geld verdienen – im Tagesgeschäft geht es also darum, Nachhaltigkeit mit Rendite zu vereinbaren.“ Dies sei auch längst kein Widerspruch mehr, wie de Lope Fend ausführt: „Als wir angefangen haben, uns mit ESG auseinanderzusetzen, war der Klimawandel als Thema noch gar nicht so akut wie heute. Stattdessen sehen wir ESG als langfristiges Qualitätsmerkmal, das dabei hilft, Risiken zu begrenzen und Ertragspotenziale zu identifizieren.“

Marktumfeld trennt Spreu von Weizen.

Neben der Diskussion über die Bedeutung und Integration von nachhaltigen Kriterien in den Investmentprozess sehen sich die Vermögensverwalter mit einem herausfordernden Marktumfeld konfrontiert, so de Lope Fend. „Wir erleben gerade eine Veränderung der Großwetterlage. Das ehemalige ‚new normal‘ ist vorbei; die niedrigen Zinsen, an die sich alle Marktteilnehmenden gewöhnt haben, sind Vergangenheit. Stattdessen sind durch den Anstieg der Zinsen Marktzyklen wieder zurück. Für langfristige Investoren wie die Deka ist dies ein sehr spannendes Umfeld.“ Die bisherige lockere Geldpolitik der Zentralbanken habe Fremdkapitalinvestoren massiv unterstützt, so de Lope Fend, und letztlich alle Boote am Markt gehoben. Nun laufe das Geschäft nicht mehr von alleine und für Eigenkapitalinvestoren, die ihre Hausaufgaben gemacht haben, böten sich wieder Chancen. „Im Immobilienbereich haben in den vergangenen Jahren Investoren, die Projekte mit bis zu 80 Prozent Fremdkapital finanziert haben, Preise geboten, die jenseits von Gut und Böse lagen. Teilweise wurden hier weit über das Dreißigfache des Jahresmieteinkommens geboten. Das war für uns als Investor mit einem eher konservativen Ansatz nicht mehr darstellbar.“ Diese Situation normalisiere sich nun jedoch wieder. In Bieterwettbewerben gebe es nun nicht mehr 20 Teilnehmer, sondern nur noch wenige handlungsfähige, berichtet de Lope Fend. „Wir wünschen uns daher grundsätzlich auch wieder Zyklen zurück. Dazu gehört auch, dass Immobilien nicht mehr alternativlos bleiben. Aber für gute Vermögensverwalter bietet sich hier die Gelegenheit, sich von der Konkurrenz abzusetzen und antizyklisch zu investieren. Wir erwarten ganz klar, dass sich jetzt die Spreu vom Weizen trennt.“

Das zeigt sich auch bereits sehr viel früher in der Wertschöpfungskette, etwa bei Projektentwicklern. Wer Produkte bereitstellt und die Probleme der Mietenden adressiert, kann sich entsprechender Nachfrage sicher sein. Für ihre nachhaltigen Gebäude wurde die SÜBA als erster österreichischer Bauträger als EU-Taxonomie-konform zertifiziert. Bereits jetzt gibt es Objekte, die zeigen, dass das Konzept funktioniert, so SÜBA-Vorstand Wachtler. Die Gesellschaft habe verschiedene Immobilien, die bereits von Mietern oder Eigentümern bewohnt werden und deren Betriebskosten signifikant reduziert werden konnten. Wichtig sei dabei, die Gebäude nicht zu hochtechnologisch zu konzipieren: „Wir nutzen keine aufwendigen technologischen Anlagen oder Touchpads. Stattdessen lässt sich alles über eine einfache Regelung steuern. Je komplizierter die Technik, desto größer ist am Ende das Risiko, dass etwas nicht funktioniert oder falsch genutzt wird.“ Daher fokussiere man sich auf simple, umweltfreundliche Technologien, wie etwa das Nutzen von Objekten als Energiespeicher mithilfe von umweltfreundlichen Salzwasserbatterien. „Das ist nicht überkompliziert und funktioniert und saubere Energie braucht saubere Batterien“, fasst Wachtler das Konzept zusammen.

weitere interessante Artikel