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Gestiegene Inflation und Zinsen machen strategisches Liquiditätsmanagement immer relevanter. Doch welche Anlageklassen sollten im Treasury in Betracht gezogen werden und wie lassen sich die neuen Anleiherenditen am besten nutzen? Johannes Titze, Leiter Investment Consulting bei der Deka, erläutert, warum Verzinsung nicht alles ist.
Für viele Treasurer sind die gestiegenen Zinsen ein zweischneidiges Schwert. Auf der einen Seite haben sich die Finanzierungsbedingungen für Unternehmen durch sie deutlich verschlechtert. Die erhöhten Finanzierungskosten schlagen sich auch in der Gewinn-und-Verlust-Rechnung der Unternehmen nieder und führen zu einer Verschlechterung wichtiger Finanzkennzahlen wie etwa des Schuldendeckungsgrades. Insbesondere Unternehmen aus dem High-Yield-Bereich (HY) werden aufgrund der meist eher kürzeren Restlaufzeiten den Zinsanstieg sehr viel schneller zu spüren bekommen als Unternehmen mit Investment-Grade-Rating (IG).
Doch während die gestiegenen Zinsen Treasurern auf der Finanzierungsseite Kopfschmerzen bereiten, wirken sie auf der anderen Seite positiv bei der Liquiditätssteuerung und dem Cash Management. In der Niedrigzins-Phase der vergangenen Jahre teilten viele Unternehmen ihre Liquidität in eine operative Liquidität für die Bestreitung laufender Kosten sowie eine strategische Liquidität für mittel- und langfristige Investitionen und als Vorbereitung für die nächste Krise. Diese wurde in der Bilanz mittels eines zusätzlichen Postens „Wertpapiere des Anlagevermögens“ ausgewiesen und mit mittelfristigem Anlagehorizont investiert. Da sie zudem kurzfristig verfügbar sein muss, kommen illiquide Anlageklassen wie Immobilien oder Private Equity sowie Private Debt grundsätzlich nicht in Betracht. „Auch größere Aktienpositionen sind nicht zu empfehlen, da die Mittel meist genau dann benötigt werden, wenn die operativen Cashflows unvorhergesehen einbrechen, sich große Zahlungseingänge verzögern oder Sondersituationen auftreten“, erläutert Johannes Titze, Leiter Investment Consulting bei der Deka: „Entsprechende Situationen haben oftmals nicht unternehmensindividuelle, sondern makroökonomische Gründe, die den Aktienmarkt als Ganzes einbrechen lassen. Eine möglichst geringe Korrelation zwischen der im Liquiditätsmanagement eingesetzten Kapitalanlage und dem operativen Geschäft ist daher die Kernvoraussetzung für eine risikokontrollierte Anlagestrategie.“ Anleihen erfüllen diese Bedingungen und sind gleichzeitig liquide genug, um kurzfristig veräußert zu werden. Doch in den vergangenen Jahren ließen sich selbst bei einer Anlage in Wertpapiere mit längerer Duration kaum Zinsen über null Prozent erreichen.
Dank der Zinserhöhungen der Zentralbanken erzielen selbst deutsche Staatsanleihen heutzutage jedoch wieder Renditen von mehr als zwei Prozent, während spanische oder italienische Renten gar auf mehr als drei bzw. vier Prozent gestiegen sind. Für Treasurer mit einem sinnvoll strukturierten Liquiditätsmanagement bedeutet dies, dass sie mit ihrer strategischen Liquidität somit wieder eine relevante Rendite erzielen können. Jedoch müssen sie damit auch Inflationsraten von mehr als acht Prozent ausgleichen – ein strukturiertes Liquiditätsmanagement und die Maximierung der Renditen sind daher unerlässlich.
Doch wie finden Unternehmen die passenden Anleihen? „Die optimale Allokation hängt von verschiedenen Faktoren sowie den spezifischen Anforderungen des jeweiligen institutionellen Anlegers ab und unterscheidet sich von Unternehmen zu Unternehmen“, führt Titze aus. Dennoch lassen sich einige Grundtendenzen ableiten.
Die folgende Tabelle enthält die aktuelle Effektivverzinsung für verschiedene Anlageklassen per 24.01.2023, die historische Volatilität (20 Jahre) sowie den Anlagehorizont in Jahren, über den die Anlageklasse durchschnittlich mindestens gehalten werden sollte, um mit ausreichend hoher Wahrscheinlichkeit (95 Prozent) zumindest den nominalen Werterhalt (Rendite mind. 0% p.a.) zu gewährleisten.
Anlageklasse | Ø Effektivverzinsung | historische Volatilität | Anlagehorizont |
---|---|---|---|
Unternehmensanleihen EUR Kurz IG | 3,7% | 1,7% | 1,5 |
Unternehmensanleihen EUR IG | 3,8% | 4,3% | 4,2 |
Renten Aggregate EUR | 3,1% | 4,2% | 4,7 |
Unternehmensanleihen Global IG | 4,8% | 7,0% | 6,0 |
Renten Aggregate Global | 3,5% | 5,8% | 7,0 |
Staatsanleihen EUR | 2,8% | 4,6% | 7,8 |
Mischfonds defensiv* | - | 6,2% | 7,8 |
Unternehmensanleihen EUR HY | 7,0% | 10,2% | 8,0 |
Staatsanleihen Global | 2,9% | 6,7% | 9,5 |
Mischfonds ausgewogen** | - | 9,0% | 14,1 |
Aktien EUR | - | 16,7% | >20 |
Unternehmensanleihen aus der Eurozone weisen derzeit bei geringerer Volatilität eine höhere Rendite als Staatsanleihen (Eurozone oder Global) auf. Unternehmensanleihen kurzer Laufzeit besitzen dabei die geringste Volatilität und den kürzesten notwendigen Anlagehorizont, sodass sie die geeignete Anlageklasse für Investoren darstellen, die ihre strategische Liquidität nur für Zeiträume von maximal drei Jahren vorhalten wollen.
Bei alleiniger Betrachtung dieser Kennzahlen sollte die Auswahl für einen fünfjährigen Anlagehorizont auf Unternehmensanleihen mit IG-Rating aus der Eurozone fallen, für einen noch längeren Zeitraum von sieben Jahren hingegen auf globale Unternehmensanleihen. Zwar weisen High-Yield-Anleihen derzeit die mit Abstand höchste Verzinsung auf, jedoch ist die Wahrscheinlichkeit für mittelfristige Wertverluste zu hoch – sie kommen nur für Langfristanleger in Betracht. Mischfonds sollten nur mit einer geringen Aktienquote eingesetzt werden. Alternativ kann bei etwas höheren Aktienquoten auch eine taktische Allokationssteuerung über eine Wertuntergrenze die Verlustrisiken begrenzen.
„Eine reine Betrachtung der Zinsen und der Volatilität lässt jedoch den Einfluss konjunktureller Risiken auf die Anlageklassen außer Acht“, weist Titze hin. „Um zu verhindern, dass Einbrüche im operativen Geschäft zeitgleich mit Wertverlusten der vorgehaltenen Liquidität stattfinden, sollten diese Risiken möglichst gering sein. Mit der Korrelation der Anlageklassen zu Aktienrisiken der Eurozone lassen sie sich sinnvoll darstellen.“ In der nachfolgenden Tabelle wird die Korrelation und die Rendite der Anlageklassen im jeweils größten Markteinbruch der vergangenen zwei Jahrzehnte ausgewiesen.
Anlageklasse | Korrelation zu Aktien EUR | Rendite Finanzkrise*** | Rendite Coronakrise**** |
---|---|---|---|
Staatsanleihen Global | 0,1 | -2,7% | 0,1% |
Staatsanleihen EUR | 0,2 | 6,1% | -2,3% |
Renten Aggregate Global | 0,3 | -6,6% | -2,9% |
Renten Aggregate EUR | 0,4 | 2,1% | -4,9% |
Unternehmensanleihen Global IG | 0,5 | -16,3% | -11,4% |
Unternehmensanleihen EUR Kurz | 0,6 | 0,3% | -3,1% |
Unternehmensanleihen EUR IG | 0,6 | -2,0% | -7,4% |
Mischfonds defensiv | 0,6 | -5,4% | -10,7% |
Unternehmensanleihen EUR HY | 0,8 | -34,8% | -20,4% |
Mischfonds ausgewogen | 0,8 | -13,2% | -16,5% |
Aktien EUR | 1,0 | -45,0% | -35,1% |
High-Yield-Anleihen weisen die höchste Sensitivität zu Aktienrisiken auf und kommen aufgrund dieses Kriteriums für die Anlage strategischer Liquidität nicht in Betracht bzw. maximal als Beimischung. Unternehmensanleihen mit Investment-Grade-Rating bewegen sich mit einer Korrelation von 0,5 bzw. 0,6 deutlich stärker im Gleichlauf mit Aktien als Staatsanleihen, da die Kreditrisiken von Unternehmensanleihen eine hohe konjunkturelle Komponente aufweisen. Dieses Bild zeigt sich auch mit Blick auf die Aktien-Stressszenarien: Während Unternehmensanleihen hier zweistellig an Rendite einbüßen mussten, war der Verlust von Staatsanleihen gering bzw. erzielten sie sogar eine positive Rendite. Darin zeigt sich der regelmäßig gut funktionierende Krisenschutz von Staatsanleihen. Renten-Aggregate, also die Mischung von Staatsanleihen und Unternehmensanleihen in einer Anlageklasse, bewegen sich erwartungsgemäß in der Mitte. Eine Diversifizierung von Anleihen über Regionen auch außerhalb der Eurozone wirkt sich ebenfalls leicht reduzierend auf die Verbindung zu Aktien der Eurozone in normalen Zeiten aus, was sich im Hinblick auf die Finanzkrise und die Coronakrise jedoch nicht für Stressphasen bestätigt hat.
Für einen Anlagehorizont zwischen drei und fünf Jahren könnte so entsprechend eine Beschränkung auf Anleihen der Eurozone stattfinden. Dies ließe sich etwa über den Deka Tresor oder den IQAM ShortTerm EUR darstellen, während für einen Zeitraum zwischen fünf und sieben Jahren auch globale Anleihen wie etwa im Deka Nachhaltigkeit Renten oder Deka RentenStrategie Global zum Einsatz kommen könnten, fasst Johannes Titze zusammen. „Für Anleger mit einem stark zyklischen Unternehmensmodell bietet sich eine Konzentration in Staatsanleihen an, während bei konjunktureller Unabhängigkeit höherverzinsliche und weniger volatile Unternehmensanleihen sinnvoll sein könnten. Insgesamt können Renten-Aggregate, die sowohl in Staats- als auch in Unternehmensanleihen investieren, das Beste aus beiden Welten bieten, da sie sowohl einen guten Krisenschutz als auch auskömmliche Renditen bei kontrollierbaren Risiken aufweisen. Sie empfehlen sich daher für Anleger, die mindestens über einen fünfjährigen Anlagehorizont verfügen und die sich nicht klar auf einer Seite positionieren wollen oder können.“ Grundsätzlich können neben der richtigen Auswahl der Anlageklassen aktiv gemanagte Anlagestrategien einen zusätzlichen Mehrwert bieten, die in die oben genannten Märkte investieren und aufgrund ihres Investmentprozesses Volatilität reduzieren sowie die Korrelation zu den Aktienmärkten verringern.
Inflation und steigende Zinsen machen das Liquiditätsmanagement sehr komplex und stellen das Treasury vor Herausforderungen. Bei der Auswahl der passenden Investitionsziele müssen verschiedenste Faktoren berücksichtigt werden. Mit dem Deka Strategy Navigator, einem eigens entwickelten Tool zur Analyse der strategischen Asset Allocation, kann die Deka Unternehmen bei diesem Prozess unterstützen. In einem interaktiven Prozess werden in Echtzeit Anlagealternativen im Hinblick auf unterschiedliche Kennzahlen unter Berücksichtigung kundenspezifischer Restriktionen analysiert, so dass auch auf individuelle Anforderungen des Kunden eingegangen werden kann.
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