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Research und Märkte

„Jede Krise macht klüger”

Corona geht ins dritte Jahr und langsam kann man auf eine neue Normalität hoffen. Doch was genau haben wir bislang von der globalen Krise lernen können? Wie sind wir künftig besser gerüstet? Wer zahlt die Rechnung? Professorin Monika Gehde-Trapp, Wirtschaftswissenschaftlerin an der Universität Hohenheim, beschäftigt sich intensiv mit diesen Fragen – und gibt im Interview Auskunft.

Januar 2022

Interview mit Professorin Monika Gehde-Trapp, Wirtschaftswissenschaftlerin an der Universität Hohenheim.


Zwei Jahre Coronakrise – und die Börsen sind in der Summe bis auf den Einbruch im ersten Schock vorangekommen, als ob nichts Schwerwiegendes geschehen sei. Sind Geldanlegerinnen und Geldanleger in Realwerte einfach die besten Krisenmanager?

Wenn sie die Nerven behalten haben, schon. Aber die grundsätzlichen Rahmenbedingungen haben ja an den Kapitalmärkten auch gestimmt.

Was meinen Sie damit?

Die Renditen anderer Geldanlagen sind im Vergleich auch in der Coronakrise durch die Nullzinspolitik viel niedriger geblieben. Zudem sind Kapitalmärkte historisch betrachtet nur dann dauerhaft in Mitleidenschaft gezogen worden, wenn große Krisen mit erheblichen Kaufkraftverlusten verbunden waren. Denken Sie an den Zusammenbruch der Immobilienmärkte vor der Weltfinanzkrise 2008. Die Pandemie hat eben nicht in vergleichbarer Weise reale Werte vernichtet. Auch, weil die Politik sich von Anfang an klar positioniert hat.

Sie sprechen von der Wirtschafts- und Finanzpolitik?

Ja. Mit dem Kraftausdruck „Bazooka“ des damaligen Finanzministers Olaf Scholz, mit dem er seine geplanten finanzpolitischen Maßnahmen versah, kann ich nicht so viel anfangen – aber die Botschaft stimmte: Massenarbeitslosigkeit und Pleitewellen durch massive Unterstützungsleistungen aus der Staatskasse verhindern – und damit den Wirtschaftskreislauf und unsere ökonomische Leistungskraft so gut wie möglich intakt halten.

Sind Krisen also Hochphasen dirigistischer Wirtschaftspolitik – und wo ist da die Grenze? China ist ja wirtschaftlich am schnellsten aus der Pandemie gekommen.

Dort wird oft das wirtschaftliche Handeln bis ins Detail politisch vorgegeben. Das ist in den westlichen Industrieländern sicher so nicht machbar – und auch nicht wünschenswert. Aber Politik kann einen konkreten Handlungsrahmen vorgeben und der Wirtschaft helfen, sich robuster aufzustellen.

Zum Beispiel durch angepasste Finanzmarktregeln?

Ja. Regulierungen gehen eher in die Richtung, den Wettbewerb und den Markt zu sichern, aber das Handeln denen offen zu lassen, die sich in diesem Rahmen bewegen. Das ganze System wird dadurch auch klüger. Und weil wir dazulernen, wird auch die Zukunft besser.

Aber Krisen kosten ja erst einmal Geld. Meine Oma würde da jetzt sagen: Irgendeiner zahlt am Ende die Rechnung.

Da hat die Oma natürlich recht. Doch das niedrige Zinsniveau hat es den Staaten ja auch möglich gemacht, günstig Kredite aufzunehmen. Vielleicht wäre es, im Nachhinein betrachtet, sogar besser gewesen, man hätte vor der Weltfinanzkrise 2008 auch Lehmann Brothers gerettet – und so eine Spirale der Kapitalvernichtung frühzeitig gestoppt. Darüber kann man aber nur spekulieren. Mit der Rettung von halbstaatlichen Hypothekenbanken haben etwa Deutschland oder die USA damals durchaus aktiv in das Wirtschaftsleben eingegriffen.

Werden mit solchen Eingriffen aber nicht auch Unternehmen künstlich am Leben gehalten, die ohne Krise mangels Konkurrenzfähigkeit schon vorher vom Markt verschwunden wären?

Es werden durch solche Rettungsmaßnahmen sicher manchmal sinnvolle Bereinigungen verschoben. Da werden sogenannte Zombie-Unternehmen gestützt, denen schlicht ein zukunftsfähiges Geschäftsmodell fehlt. Das ist gesamtwirtschaftlich gesehen in so einer Krise aber wahrscheinlich tolerabel. Wer auf eine breite Auswahl an Firmen und Branchen setzt, der kann das sicher verkraften. Und er wird viel mehr Unternehmen im Portfolio haben, die nach der Krise besser und wertvoller geworden sind.

Wodurch?

Etwa durch gestiegene Resilienz. Viele Firmen haben in der Coronakrise beeindruckend schnell ihr Geschäftsmodell angepasst. Zum Beispiel Messegesellschaften, die ihre Veranstaltungen in einem hybriden Format aus digitalen Tagungen und Präsenz, je nach Pandemielage, veranstaltet haben. Solche Erfahrungen des Neuerfindens machen das Unternehmen auch robuster für künftige Herausforderungen. Das gilt genauso für die kommenden Veränderungen durch Nachhaltigkeitsanforderungen. Da haben sich inzwischen etwa auch einige Fondsgesellschaften sehr gut orientiert – und ihre Angebote verändert.

Gibt es denn generelle Handlungsempfehlungen, wie Unternehmen, Politik und Geldanlegende durch zukünftige Krisen und Herausforderungen gehen können?

Den Stein der Weisen gibt es da nicht. Manche Krisen greifen einfach grundsätzlich das Geschäftsmodell eines Unternehmens an. Nehmen Sie etwa die Luftfahrt während des Lockdowns. In solchen Fällen ist es volkswirtschaftlich sinnvoll, wenn der Staat durch eine ausgeweitete Kurzarbeitsregelung die Airline stützt. Mit Abgaben haben diese Unternehmen und die Belegschaft zuvor ja auch in das System eingezahlt. Und für Anlegerinnen und Anleger heißt es diversifizieren, also beispielsweise auch krisenresistentere nichtzyklische Konsumgüterproduzenten kaufen.

Es gab ja einige Unternehmen, die in der Krise einen Corona-Aufpreis durchsetzen konnten. Was haben die „besser“ gemacht als andere?

Zum einen gibt es natürlich Unternehmen, deren Produkte direkt behilflich sind, um mit einer Krise umzugehen: in der Pandemie zum Beispiel Tech-Firmen, Softwarehersteller oder natürlich die Biotech- und Pharmaunternehmen. Aber manche besitzen eben einfach auch eine gewisse Flexibilität im Geschäft: Premium-Autohersteller etwa sind nicht zwingend darauf angewiesen, sehr viele Autos zu verkaufen.

Sind große Krisen also oft auch reine Nervensache? Ruhig bleiben, feinjustieren – und im Wesentlichen abwarten?

Politisch und unternehmerisch Handelnde können nicht so einfach abwarten. Die sollen ja aktiv die Krise managen. Für den Geldanlegenden ist Ruhe bewahren aber mit Sicherheit nicht der schlechteste Ratschlag. Denn das optimale Timing zum Ein- oder Aussteigen finden selbst die Profis nach unseren Forschungen nicht.

Hin und Her macht ohnehin Taschen leer.

Ja, kaufen und halten ist empirisch gesehen die beste Strategie. Dabei hilft Krisenerfahrung: Wer die hat, der hat beim nächsten Mal meist auch bessere Nerven. Das gilt übrigens auch für Politik und Wirtschaft. Jede Krise macht klüger. Beim nächsten Mal machen wir manche Fehler wie etwa dem Riskieren von Pleitewellen und Arbeitslosigkeit nicht mehr – das kann so im Ergebnis den Schaden für alle kleiner halten.

Quelle: fondsmagazin.de

Professorin Monika Gehde-Trapp

Wirtschaftswissenschaftlerin an der Universität Hohenheim.

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