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RESEARCH UND MÄRKTE

„Die Nachfrage nach klimafreundlichen Immobilien wächst“

Der Einfluss des Klimas auf Immobilien ist bereits heute messbar – zu diesem Schluss kommt das Team Immobilienresearch der Deka in einer aktuellen Untersuchung. Andreas Wellstein erläutert im Interview, warum auch bei Immobilien auf den CO2-Ausstoß geachtet werden sollte.

Mai 2021

Interview mit Andreas Wellstein aus dem Makro Research


Herr Wellstein, warum hat Ihr Team ein ganzes Research zum Thema „Klimaveränderungen und Immobilien“ geschrieben?

Andreas Wellstein: Die Themen ESG und Nachhaltigkeit gewinnen für Investoren ständig weiter an Bedeutung, insbesondere aufgrund regulatorischer Vorgaben, etwa zuletzt durch die Offenlegungsverordnung im Rahmen der EU-Taxonomie. Immobilien bilden hier keine Ausnahme. Im Gegenteil: Die Nachfrage auf Kundenseite nach klimafreundlichen Immobilien im Portfolio wächst.

Diese Bedeutungszunahme war der Anlass, dass wir uns mit dem Thema „Klimaveränderungen und Immobilien“ auseinandergesetzt haben. Ausgehend von den wichtigsten Beschlüssen des Pariser Klimaschutzabkommens haben wir beleuchtet, welche Auswirkungen der Klimawandel bereits hat und welchen Anteil der Immobiliensektor daran besitzt. Im Weiteren geben wir einen Überblick, welche politisch-regulatorischen Vorgaben zum Thema Nachhaltigkeit bei Immobilien gelten, und unter welchen Voraussetzungen Immobilien zum „Stranded Asset“ im Portfolio werden könnten, weil sie den regulatorischen Vorgaben nicht entsprechen.

Welchen Anteil haben Immobilien am Klimawandel? Lässt sich der Anteil am CO2-Ausstoß auf einzelne Immobilienarten herunterbrechen?

Andreas Wellstein: Hier wirken verschiedene Faktoren zusammen. Wenn Sie alleine den CO2-Verbrauch des laufenden Immobilienbetriebes zugrunde legen, ergibt sich ein Anteil von rund 17 Prozent am gesamten CO2-Ausstoß in Deutschland. Werden andere zentrale Faktoren – nicht zuletzt der CO2-Ausstoß bei der Produktion der benötigten Baustoffe – berücksichtigt, kommt der Immobiliensektor insgesamt auf einen Anteil von rund 40 Prozent an den gesamten CO2-Emissionen in Deutschland. Das ist schon ein ziemlich hoher Wert, gerade im Vergleich zu anderen Bereichen. Neben Verkehr und Energiewirtschaft sind Immobilien einer der zentralen CO2-Verursacher.

Umgekehrt gefragt: Welche Risiken gehen vom Klimawandel für den Immobilienmarkt aus? Welche Folgen hat dieser Klimawandel bereits heute auf den Immobilienmarkt in Deutschland?

Andreas Wellstein: Das ist immer eine Frage der Messbarkeit und der daraus folgenden Quantifizierbarkeit. Legt man die Schadensmeldungen an Gebäudeversicherungen zugrunde, lässt sich konstatieren, dass die Schadenssummen in den vergangenen Jahren deutlich gestiegen sind. Daran wird deutlich: Schon jetzt beeinflusst der Klimawandel alle Lebensbereiche. Einige Auswirkungen erleben wir mittlerweile fast jedes Jahr selbst. Die extremen Wetterereignisse nehmen zu, inzwischen haben wir immer häufiger mit Hitze und Hochwasser zu kämpfen. Obwohl sich das Klima graduell über Jahrzehnte verändert, zeichnet sich selbst in der kurzen Frist eine deutliche Zunahme von extremen Temperaturen ab. Wir zeigen in unserem Research für das Beispiel Frankfurt am Main einen deutlichen Anstieg der Temperaturen im laufenden Drei-Jahres-Mittel. Die Zahl von tropischen Nächten in Frankfurt wird erheblich zunehmen.

Es gibt verschiedene Tools oder auch Datenbanken, mit deren Hilfe die Gebäudeeigentümer versuchen können, für ihre Region abschätzen zu lassen, wie hoch solche klimabedingten Gefahren für ihren Bestand ungefähr sind. Derartige softwaregestützten Berechnungen basieren auf langjährigen Klimadaten und daraus abgeleiteten Klimamodellen. Daraus ergeben sich dann verschiedenste Fragen, zum Beispiel, ob Gebäude in der Zukunft langfristig überhaupt noch versicherbar sind, oder ob die Prämien eines Tages so hoch sein werden, dass sie fast unbezahlbar werden.

Welche regulatorisch bedingten Übergangsrisiken für die Immobilienwirtschaft ergeben sich aus dem Klimawandel und den daraus resultierenden regulatorischen Anforderungen?

Andreas Wellstein: Diese Risiken beziehen sich in erster Linie auf die Treibhausgasemissionen mit CO2 im Fokus. Sie bestehen im Kern daraus, dass Immobilien, die in den kommenden Jahren aufgrund ihrer Bauweise den vorgegebenen C02-Reduktionspfad nicht einhalten können, zu „Stranded Assets“ zu werden drohen. Im Regelfall müssen sie aufwendig nachgerüstet werden.

Welche Schritte sind in den kommenden Jahren notwendig, um die Reduzierung der Kohlendioxidemissionen bei Immobilien gemäß den Vorgaben des Pariser Klimaübereinkommens zu beschleunigen?

Andreas Wellstein: Für Bestandsimmobilien gilt: Wo immer möglich modernisieren, modernisieren, modernisieren. Und bei Neubauten geht es darum, bei der Art des Bauens, zum Beispiel bei der Auswahl von Baustoffen, von Anfang an nachhaltig vorzugehen. Klimaschonende Baustoffe und Verarbeitung sind sicherlich das probateste Mittel. Zum Beispiel werden jetzt auch schon größere Gebäude in Holzbauweise errichtet. Ein anderes Thema sind nachhaltige Energiekonzepte für Gebäude. Alle diese Faktoren spielen eine zentrale Rolle für Zertifizierungen, auf die mittlerweile von institutionellen Investoren sehr stark geachtet wird. Diese Zertifikate sind wichtig für die Vergleichbarkeit von Objekten. Anleger achten mittlerweile stark darauf, wie viele Objekte im Bestand eines Immobilienunternehmens nachhaltige Ratings haben.

Wie können institutionelle Investoren erkennen, ob ihre Gebäude hinsichtlich des CO2-Ausstoßes den regulatorischen Vorgaben nicht entsprechen und damit Gefahr laufen, zu „Stranded Assets“ zu werden?

Andreas Wellstein: Der C02-Ausstoß bei Gebäuden ist je nach Nutzungsart ziemlich unterschiedlich. So haben Logistik- und Wohngebäude deutlich niedrigere Werte als Hotels oder Gesundheitsimmobilien. Ein für Investoren nützliches Tool ist der Carbon Risk Real Estate Monitor (CRREM), ein vom EU-Programm Horizon 2000 getragenes Forschungsprojekt. Er rechnet die Vorgaben des Pariser Klimaschutzabkommens auf die Gebäudeebene herunter und berechnet, ab welchem Zeitpunkt die jeweiligen Gebäude den vorgegebenen CO2-Ausstoßwerten nicht mehr entsprechen, also wann der CO2-Reduktionspfad voraussichtlich verlassen wird. Auf dieser Grundlage können Investoren in ihrem Portfolio überblicken, bei welchen Objekten kurz-, mittel- und langfristiger Handlungsbedarf besteht.

Welche Schlussfolgerungen ziehen Sie aus den Ergebnissen Ihrer Untersuchung?

Andreas Wellstein: Es besteht großer Handlungsdruck. Um das Pariser Klimaabkommen mit seinem Zwei-Grad-Ziel einzuhalten und Immobilien flächendeckend klimafreundlich zu gestalten, ist Eile geboten. Zudem kommt es entscheidend darauf an, dass hier länderübergreifend künftig noch viel mehr zusammengearbeitet wird, um die Klimaschutzziele einzuhalten. Es ist nicht angebracht, sich auf den intensiven Anstrengungen in Deutschland auszuruhen. Die Aufgabe kann nur gemeinsam gelingen, hier darf keiner der Beteiligten lockerlassen.

Wie sollten institutionelle Investoren mit der Thematik umgehen?

Andreas Wellstein: Institutionelle Investoren sollten beginnen – mit Hilfe des nötigen und immer umfangreicheren Instrumentariums – ihren Bestand im Portfolio im Hinblick auf Klimaeffizienz und Klimaschutz-Konformität zu überprüfen. Es ist ausgesprochen empfehlenswert, aus eigener Initiative notwendige Anpassungen beziehungsweise Modernisierungen vorzunehmen. Damit können sie eine Vorreiter- und Vorbildrolle spielen.

Grundsätzlich kommt es darauf an, der Zeit voraus zu sein und nicht auf die nächste regulatorische Verschärfung zu warten. Entsprechend vorausschauend sollte das Portfolio angepasst werden. Selber aktiv das Immobilienportfolio klimafreundlich gestalten – so sollte die Maxime lauten.

Andreas Wellstein

Makro Research.

Der Immobilienresearch Spezial zum Thema Klimaveränderungen als Download.