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Research und Märkte

„2022 wird wichtige Weichenstellungen mit sich bringen“

Die beiden dominierenden Themen des Jahres 2021 für die Kapitalmärkte waren die Corona-Pandemie und die Inflation. Beide werden die Anlegerinnen und Anleger auch 2022 begleiten. Ob und mit welcher Gefährlichkeit sich neue Virusmutationen ausbreiten, kann niemand mit Sicherheit sagen. Ob und in welchem Ausmaß die Inflationswelle weiterrollt, hierzu sind dagegen durchaus Aussagen möglich. Deka-Kapitalmarktstratege Joachim Schallmayer blickt auf das bewegte Jahr 2021 zurück und zeigt die weiteren Aussichten für 2022 auf.

Dezember 2021

Die wirtschaftliche Bilanz des Jahres 2021 fällt gemischt aus. Nach dem Ende der Corona-Lockdowns im Frühjahr 2021 knirschte es bald schon gewaltig im Räderwerk der internationalen Produktionsketten. Die Kombination aus einer überbordenden Nachfrage und einer zu vorsichtigen Kapazitätsplanung stresste den Produktionsapparat gewaltig. Dazu kamen andauernde Belastungen durch die Pandemie. Insgesamt aber übertraf das globale Wachstum trotz vieler Chaosmeldungen aus dem Maschinenraum der Weltwirtschaft im Jahr 2021 mit knapp 6 Prozent die Erwartungen vom Jahresanfang erheblich.

Weltwirtschaft überraschend standhaft.

Zu den Überraschungen in den vergangenen zwölf Monaten zählt die Produktion, die den fortgesetzten Corona-Beeinträchtigungen standhält. Der Weltwirtschaft ist – anders als bei der Finanzkrise vor gut einem Jahrzehnt – nach dem globalen Schock die Rückkehr auf den ursprünglichen Wachstumspfad nahezu gelungen. Dies spiegelt sich auch im Welthandel wider, dessen Umfang nicht nur das Vor-Corona-Niveau übersteigt, sondern Ende 2021 sogar über der Linie des Trendwachstums liegt. Eine zentrale Ursache für diese überraschende Wiederauferstehung der Weltwirtschaft liegt in den enormen staatlichen Finanzhilfen und Konjunkturprogrammen, die in zahlreichen Volkswirtschaften zum Abfedern der Vollbremsung durch die Lockdowns auf den Weg gebracht wurden.

Überforderung der internationalen Produktionsketten.

In diesem Zusammenhang prägte auch die Überforderung des weitweiten Produktionsgeflechts die Schlagzeilen. Von Rohmaterialien über Vorprodukte, von Arbeitskräften bis hin zu Transportkapazitäten – alles war knapp. Dies lag an der Nachfrage der privaten Haushalte, die dank der staatlichen Stützungsprogramme nach dem Ende der Lockdowns mit Kraft durchstartete. Zusammen mit den zu zögerlichen Produktionsplanungen der Unternehmen weltweit und technischen Problemen beim Hochfahren der Wirtschaft führte dies zu einer regelrechten globalen „Chaos-Ökonomie“, in der Containerschiffe an den falschen Orten lagen, Fabriken Wochen brauchten, um wieder hochzufahren sowie Rohstoffe und Vorprodukte nicht verfügbar waren, um nur einige der Schwierigkeiten zu nennen.

Rückkehr der Inflation.

Dies führte geradewegs zum nächsten Thema: Preissteigerungen in lange nicht mehr gesehenem Ausmaß. Zum ersten Mal seit vielen Jahren trauen sich die Unternehmen wieder, die Kostensteigerungen in Form deutlicher Preiserhöhungen weiterzugeben. Daraus folgte, dass die Inflationsprognosen für 2021 vom Anfang des Jahres im Durchschnitt verdoppelt werden mussten. Wir erwarten zwar eine Beruhigung der Preiswelle, allerdings werden die Inflationsraten auf einem höheren Niveau verharren als vor der Corona-Krise.

Dies führte geradewegs zum nächsten Thema: Preissteigerungen in lange nicht mehr gesehenem Ausmaß. Zum ersten Mal seit vielen Jahren trauen sich die Unternehmen wieder, die Kostensteigerungen in Form deutlicher Preiserhöhungen weiterzugeben. Daraus folgte, dass die Inflationsprognosen für 2021 vom Anfang des Jahres im Durchschnitt verdoppelt werden mussten. Wir erwarten zwar eine Beruhigung der Preiswelle, allerdings werden die Inflationsraten auf einem höheren Niveau verharren als vor der Corona-Krise.

Finanzmärkte reagierten gelassen.

Die Reaktion der Finanzmärkte auf die Inflationsanstiege fiel erstaunlich gelassen aus. Die langfristigen Inflationserwartungen gingen durchaus nach oben, blieben aber sowohl für die USA als auch für Euroland im Rahmen der geldpolitischen Zielvorstellungen. Der Grund dafür liegt in der demonstrativen Gelassenheit der Notenbanken hinsichtlich des Anstiegs der Preise. Für die USA rechnen wir 2022 mit ersten Leitzinserhöhungen, die EZB dürfte 2025 erstmals die Leitzinsen nach oben nehmen.

Was bedeutet das für den Ausblick 2022?

Die Konjunktur bleibt kräftig, sofern nicht das Angstszenario einer Impfstoff-resistenten Mutation des Coronavirus eintritt. Infolgedessen hat sie auch so gut wie keine Markt-relevanz. Das schließt nicht aus, dass es in einzelnen Volkswirtschaften durch saisonale Corona-Wellen immer wieder zu wirtschaftlichen Beeinträchtigungen kommt. Die Inflation beruhigt sich 2022/2023 so weit, dass die Notenbanken nicht zu einem hektischen Anziehen der Zinszügel gezwungen werden. Die Zinsen werden in den kommenden Jahren steigen, aber nicht schneller als die Inflation. Insofern bleibt der Realzins negativ, und die Sachwerterallye geht weiter.

Und dennoch wird das Jahr 2022 wichtige Weichenstellungen mit sich bringen. Die Notenbanken werden demonstrieren, dass sie gewillt sind, den langjährigen geld-politischen Krisenmodus zu verlassen und ihre Geldpolitik langsam zu normalisieren. Hinzu kommen richtungsweisende fiskalpolitische Entscheidungen in den USA und in Deutschland mit seiner neuen Regierung. Hier wird es um die Frage gehen, wie stark die öffentlichen Investitionen in den kommenden Jahren das Wirtschaftswachstum unterstützen.

Sofern ein neuerlicher unkontrollierter Corona-Ausbruch vermieden werden kann, dürfte die Nachfrage weltweit kräftig bleiben. Damit steigt die Chance, dass die Erholung nicht nur ein Sprint wird, sondern ein Mittelstreckenlauf, der auch 2023 noch mit Schwung weitergeht. Wir erwarten für 2022 mit gut 4 Prozent ein erneutes kräftiges globales Wachstum. Im Jahr 2023 moderiert sich dieses Wachstum auf 3,5 Prozent, was jedoch immer noch leicht über dem langfristigen Durchschnittswachstum liegt.

Sollte die Inflation im kommenden Jahr nochmals negativ überraschen, so wird die EZB handeln und Zinserhöhungen auf das Jahr 2023/2024 vorziehen. Aber selbst in diesem Fall würden die Sparerzinsen nicht über die Inflationsrate hinaus ansteigen. Dies begünstigt weiterhin die Investition in Sachwertanlagen: Mit Aktien sind Anlegende etwa für den Zeitraum von Ende 2019 bis heute mit Abstand am besten durch die Krise gekommen.

Die Aktienmärkte profitieren von den stabilen wirtschaftlichen Rahmenbedingungen, da die verbesserten Geschäftsaussichten aufgrund der hohen Profitabilität zu einem überproportional starken Anstieg der Unternehmensgewinne führen. Die aktuell konsensual für das Jahr 2022 erwarteten Steigerungsraten von knapp 9 Prozent in den USA, 7 Prozent in Europa und 5 Prozent in Deutschland und den Schwellenländern sind zu niedrig angesetzt und dürften von den im kommenden Jahr tatsächlich erwirtschafteten Gewinnzahlen erneut übertroffen werden. Für den deutschen Leitindex DAX erwarten wir per Ende 2022 einen Stand von 17.500 Punkten.

Die Ausgangslage für Rentenmärkte verspricht dagegen mehr Risiko bei abnehmender Ertragserwartung. Das Umfeld für Rentenmärkte hat sich bereits in diesem Jahr spürbar verschlechtert und auch für das nächste Jahr gibt es keine Entwarnung. Somit wird der Ertrag der Rentenanlage zunehmend von der Preisbewegung bestimmt und die Schwankungsbreiten nehmen insgesamt zu. Es spricht jedoch einiges dafür, dass die nachlassenden Anleihekäufe vor allem die Zinsvolatilität erhöhen und weniger die Spreadvolatilität an den Kreditmärkten nach oben drücken werden.

Joachim Schallmayer

Leiter Kapitalmärkte und Strategie im Makro Research der Deka.