Abnahme

Deka Institutionell Investment-Konferenz 2022

„Ich fahre dort nicht hin, um Urlaub zu machen“

Katar als Austragungsort der diesjährigen Fußballweltmeisterschaft war bei vielen umstritten. Vor allem die Frage nach den Arbeitsbedingungen beim Bau der Sportstätten, aber auch die Einstellung der Regierung zu Fragen der Demokratie und Aspekten der Vielfalt sorgen für Kontroversen. Und so gab es während des Turniers eine Erwartungshaltung, dass sich auch die Spieler der deutschen Nationalmannschaft klar positionieren. Für die Sportler ist das keine einfache Situation, weiß Natalie Geisenberger. Die Rennrodlerin und erfolgreichste deutsche Winterolympionikin hatte unter anderem an den Olympischen Winterspielen 2022 in Peking teilgenommen.

Dezember 2022

Der beste Weg, um Land und Leute kennenzulernen, sind die Olympischen Spiele sicher nicht, betont Natalie Geisenberger auf der diesjährigen Deka Institutionell Investment-Konferenz in Oberursel. Die Konferenz war mit der Frage „Welt im Wandel, Werte im Wandel – wie gestalten wir als Gesellschaft die Demokratie von morgen?“ überschrieben. Geisenberger lieferte dazu Einsichten aus dem Spannungsfeld von Sport und Politik.

Die Olympischen Winterspiele in Peking im Februar 2022 standen klar im Zeichen der Coronapandemie. Entsprechend streng waren die Sicherheitsvorkehrungen. „Olympische Spiele sind grundsätzlich mit hohen Sicherheitsstandards verbunden. Das war auch bei den Spielen in Vancouver, Sotschi und Pyeongchang so und folgt den Vorgaben des Olympischen Komitees“, erklärt Geisenberger. „Verschärft wurde die Situation in Peking durch die umfangreichen Gesundheitskontrollen und strikt umgesetzten Isolationsmaßnahmen.“ Davon betroffen waren auch deutsche Sportler, die sich nach irrtümlich falsch positiven Coronatests ohne Rücksprache mit dem Team oder den Betreuern direkt in Quarantäne begeben mussten. Immerhin hat es bei den Olympischen Spielen jedoch englischsprachige Ansprechpartner gegeben, was die Kommunikation in problematischen Situationen etwas erleichterte. Dies war drei Monate zuvor, beim Weltcup im November 2021, noch anders. Dort fiel die Verständigung deutlich schwieriger, entsprechend konnten die Sportler die angeordneten Maßnahmen nicht nachvollziehen, es gab keine Erklärungen und keine Ansprechpartner. Es waren große Teile der Mannschaft über zwei Wochen in Quarantäne gewesen, obwohl alle Tests innerhalb des Teams stets negativ waren und auch kein Kontakt zu einem Infizierten bestanden hatte.

Alles für Olympia.

Wie geht man als Sportlerin oder Sportler in so einer Situation mit seinen Gedanken und Gefühlen um? Protest oder Boykott wären mögliche Reaktionen. Aber so einfach ist es nicht: „Als Sportler ist die Teilnahme an den Olympischen Spielen das Allergrößte“, so die mehrfache Goldmedaillen-Gewinnerin. „Du trainierst jeden Tag, meistens sogar zwei Einheiten, du ordnest dein Leben komplett Deinem Sport unter – alles für den Erfolg bei den Olympischen Spielen. Deswegen ist für Sportlerinnen und Sportler, sobald sie sich qualifiziert haben, das Wichtigste: Ich bin beim größten Sportereignis der Welt dabei.“ Obwohl sie selbst nach den negativen Erlebnissen beim Weltcup im Vorjahr eher kritisch eingestellt war, war auch für sie klar: „Ich bin in Topform. Ich muss das bei Olympia durchziehen, für mich und meine Familie, die mich jeden Tag unterstützt hat.“

Hinzu kommt die Erkenntnis, als Sportler wenig ändern zu können: „Ich habe keinen Einfluss darauf, wohin die Spiele vergeben werden. Irgendwann bekomme ich den Reiseplan, da steht dann „Reiseziel Peking“. Und dann fliege ich hin und mache so gut wie möglich meinen Job. Vor Ort haben wir in China außer dem Flughafen, Bussen, dem Olympischen Dorf und der Rodelbahn nichts gesehen. Zu Einheimischen war absolut kein Kontakt möglich. Ich war definitiv nicht dort, um Urlaub zu machen, sondern um am Tag X mein Bestes zu geben. Meine eigene kritische Haltung zu manchen Themen ändert sich aber auch nach meinen Erfolgen dort nicht.“ Allerdings habe sie sich auch an die Empfehlung gehalten, Kritik an der Organisation und den Sicherheitsmaßnahmen erst nach ihrer Rückkehr nach Deutschland zu äußern.

Trotz der Kontroversen hält Natalie Geisenberger nichts davon, einzelnen Staaten die Ausrichtung Olympischer Spiele zu verweigern. „Der Veranstalter heißt nun einmal Internationales Olympisches Komitee und nicht Demokratisches Olympisches Komitee und deswegen glaube ich, dass grundsätzlich jedes Land das Recht haben sollte, so ein Ereignis auszurichten.“ Verstöße gegen grundlegende Menschenrechte seien jedoch aus ihrer Sicht ein rotes Tuch. Hier sollten sich die Entscheidungsträger in der Tat fragen lassen, ob sie die Ausrichtung von internationalen sportlichen Großveranstaltungen, wie den Olympischen Spielen oder der Fußball-Weltmeisterschaft, in bestimmten Staaten verantworten können.

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