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Abnahme

Trends und Innovation

Der digitale Euro.

Während alles auf Donald Trump, die USA und den Dollar schaut, bereitet die EU die Einführung des digitalen Euro zur Umsetzung ab 2028 vor. Die Weichen werden im Oktober 2025 gestellt. Was dies für Bürgerinnen und Bürger, Unternehmen, US-Bezahldienstleister, die Finanzbranche und auch den Euro bedeutet, erklärt Petia Niederländer, Direktorin bei der Oesterreichischen Nationalbank (OeNB).

Lesen Sie hier das vollständige Interview aus der "Invest." Ausgabe 2/2025, dem Magazin von IQAM Invest.

Juli 2025

Interview mit Petia Niederländer, Direktorin für Zahlungsverkehr, Risikoüberwachung und Finanzbildung bei der Oesterreichischen Nationalbank (OeNB).


US-Präsident Trump plant eine digitale US-Reserve mit Krypto-Assets und US-Stablecoins. Heißt die Antwort der EU digitaler Euro?

Die Ausgangslagen sind unterschiedlich. Der US-Dollar stellt die meistgenutzte Währungsreserve dar. Mehr als die Hälfte der weltweiten Umsätze wird in US-Dollar getätigt. Auch sind die amerikanischen Banken globale Player, die überall in der Welt den internationalen Zahlungsverkehr steuern und für ihn Dienstleistungen erbringen. Inzwischen hinterfragen aber immer mehr Staaten den US-Dollar als Währungsreserve und seinen Einsatz bei Finanztransaktionen. Donald Trump versucht daher US-Stablecoins zu etablieren, die mit echten US-Dollars und kurzlaufenden Treasury Bills gedeckt sind. Von US-Stablecoins oder auch dem digitalen Euro sind jedoch Krypto-Assets wie Bitcoin und Ether zu unterscheiden, die primär zur Spekulation und nicht als Zahlungsmittel dienen.

Hat die EU mit dem digitalen Euro ähnliches vor wie Trump mit Stablecoins?

Der Euro ist mit 20 Prozent die zweitwichtigste Reservewährung der Welt. Da ist noch Luft nach oben. Sowohl bei der Stablecoin-Strategie der USA als auch beim digitalen Euro geht es um Zahlungsinstrumente, welche die Nachfrage nach der jeweiligen Reservewährung stärken, sei es nach Euro oder US-Dollar.

Zwei Drittel unserer Konsumausgaben tätigen wir mit US-amerikanischen Bezahlsystemen und Kreditkarten.

Genau darum geht es. Der digitale Euro soll uns helfen unsere strategische Autonomie und die Rolle des Euro zu stärken.

Wie genau lautet der Zeitplan der Einführung des digitalen Euro?

Im Oktober 2025 wird der EZB-Rat entscheiden, wie es mit den technischen Vorbereitungen für die Einführung des digitalen Euro weitergeht. Dann brauchen das Eurosystem und alle Zentralbanken etwa drei Jahre für die Entwicklung. Vorausgesetzt die gesetzliche Grundlage wird wie im Zeitplan vorgesehen in Brüssel beschlossen, ist die erste Anwendung 2027 und die vollständige Umsetzung 2028 bis 2030 realistisch.

Mag. Petia Niederländer

ist Direktorin für Zahlungsverkehr, Risikoüberwachung und Finanzbildung bei der Oesterreichischen Nationalbank (OeNB).1 In dieser Position leitet sie die Zahlungsstrategie sowie das Projekt des digitalen Euro innerhalb der Zentralbank von Österreich. Sie ist Mitglied des Market Infrastructure Board der EZB, Vorsitzende des Nationalen Zahlungsausschusses und Vorstandsmitglied der OeNPAY. Weiters ist sie Mitglied des Exekutivkomitees der Nationalen Finanzbildungsstrategie Österreichs und Vorsitzende des Aufsichtsrats der Stiftung für Wirtschaftsbildung.

Wenn es Bankomaten weiterhin gibt, dann auch Bargeld?

Es wird im Gesetz festgeschrieben, dass es weiterhin Bargeld geben und der digitale Euro nur eine Ergänzung sein wird. Das ist wichtig, da Bargeld heute unser einziges Zahlungsmittel ist, das tatsächlich autonom ist und überall im Euroraum angewendet werden kann. Mit dem Gesetzesvorschlag der Kommission wird die Rolle des Bargeldes sogar gestärkt. Er sieht vor, dass der Handel neben dem digitalen Euro auch Bargeld akzeptieren muss. Außer es gibt triftige Gründe, warum er das nicht tut.

Welche Gründe könnten dies sein?

Nochmals, es geht nicht darum, Bargeld zu verdrängen. Wir wollen die Autonomie europäischer Zahlungen wieder stärken. Ein Konsortium aus sechs EU-Zentralbanken wird die technische Infrastruktur für die Herausgabe und Zahlung mit dem digitalen Euro vorbereiten.

Wie wird die Bezahlung mit dem digitalen Euro konkret funktionieren?

Mit dem eigens von den europäischen Zentralbanken entwickeltem System, das auch die Sicherheit dieser digitalen Banknoten sicherstellt. Sie enthalten Sicherheitsmechanismen, genauso wie beim Bargeld, damit ein digitaler Euro nicht mehrmals ausgegeben oder gefälscht werden kann. Die Banken werden eigene Wallets für den digitalen Euro bereitstellen. Kleinere Banken können hierfür auch im Hintergrund eine eigens von den Zentralbanken entwickelte App verwenden.

Wird man mit dem digitalen Euro auch offline bezahlen können?

Das ist eine der wichtigsten Innovationen. Wenn zwei Personen oder zwei Geräte in der Nähe sind, dann kann man den digitalen Euro von Gerät zu Gerät – genauso wie Bargeld – zwischen den handelnden Personen austauschen. Man nennt das „Airdropping of Money“.

Mit anonymen Zahlungen ist es dann vorbei?

Nein. Beim digitalen Euro steht die Wahrung der Privatsphäre im Vordergrund. Warum? Wenn ich mit der Wallet bezahle, werden meine Daten nicht weitergegeben. Das heißt, wir bekommen nur den Betrag und verschlüsselt die Zieladresse und die der Bank des Zahlers übermittelt. Die Nutzung der Offline-Funktion bedeutet ein noch anonymeres Bezahlen, denn dann tätigen Sie die Überweisung wirklich von Gerät zu Gerät und die Bankdaten des Bezahlers werden bei der Synchronisation nicht weitergegeben.

Gibt es Transaktionslimits beim digitalen Euro?

Nein. Sie können damit auch ein Haus oder ein Auto kaufen. Das Geld wird von Ihrem Konto abgebucht und in digitalen Euros dem Empfänger ausbezahlt.

Gibt es Haltelimits in der Wallet?

Hier werden derzeit 3.000 Euro diskutiert. Während es im Online-Bereich bei Überweisungen keine Limits gibt, kann ich offline nur ausgeben, was ich auch in der Wallet habe.

Fallen Spesen an?

Der Gesetzesvorschlag sieht eine taxative Liste von Basis-Services vor, die verpflichtend kostenfrei sind. Dazu zählt auch die Bereitstellung einer Wallet.

Kann ich mich mit dem digitalen Euro verschulden?

Eine automatische Verschuldung wie bei der aktuellen Kontoüberziehung wird nicht möglich sein.

Steckt die Blockchain-Technologie hinter dem digitalen Euro?

Der Euro ist kein „Distributed Ledger“, wie so oft spekuliert wird. Also keine dezentrale Datenbank, bei der Transaktionen oder Informationen an verschiedenen Orten gespeichert und dupliziert werden. Diese Datentechnologie würde für uns ein Sicherheitsrisiko darstellen, da man sich öffnen und mit anderen privaten Teilnehmenden die Prüfung oder die Echtheit dieser Transaktionen bestätigen müsste. Das wäre nicht kosteneffizient und ein Sicherheitsrisiko.

Kann ich künftig meine digitalen Euros direkt bei der EZB anlegen?

Nein. Der digitale Euro ist ein Zahlungsmittel und es gibt – wie beim Bargeld – eine Verpflichtung der Zentralbank ihn zurückzunehmen. Bei der EZB anlegen kann ich digitale Euros jedoch nicht – der digitale Euro wird keine Zinsen abwerfen.

Worin liegt der Vorteil des digitalen Euro für die Finanz- bzw. Fondsbranche?

Er eröffnet ein großes Spielfeld für neue innovative Produkte. Ob der digitale Euro tatsächlich in Investmentprodukte einbezogen werden wird oder welche Smart Contracts zur Kundenbindung entwickelt werden, wird der Markt zeigen. Hier gibt es meiner Meinung nach viele Vorteile, die erst ausgelotet werden müssen.

Werden Visa, Mastercard, PayPal und Co für den Geschäftsausfall durch den digitalen Euro kompensiert?

Nein. Das ist ein Privatgeschäft. Ein Händler kann weiterhin die Bankomatkasse benutzen, wenn er eine physische Infrastruktur für sinnvoll erachtet. Aber den Schwerpunkt des digitalen Euro-Projekts bilden schon europäische Standards am Point of Sale wie auch im E-Commerce zu bevorzugen, etwa QR-Codes des European Payments Council oder auch die API-Standards, die die Berlin Group oder auch PSD2 festlegt, jene EU-Richtlinie, die den elektronischen Zahlungsverkehr reguliert.

Wie wirkt sich der digitale Euro volkswirtschaftlich aus?

Er ist ein echter Euro, also mit einem Umrechnungskurs von eins zu eins. Insofern verlängert sich unsere Bilanz nicht. Was volkswirtschaftlich und mir persönlich sehr wichtig ist, sind die Innovation, Autonomie und Resilienz des digitalen Euro. Und er bietet Schnittstellen, überall in ganz Europa ein gleiches Format, gleiche digitale Infrastruktur als öffentliches Gut, das Banken, Kundinnen und Kunden sowie Unternehmen nutzen können. Wir gehen davon aus, dass die Einsparungen und der Wert für Finanzinnovationen hier sehr hoch sind, wenn der Markt diese Finanzinnovationen auch tatsächlich umsetzt.

Wird der Euro am Ende attraktiver für andere Staaten als Währungsreserve?

Das ist noch zu früh zu sagen. Im ersten Schritt dient er einmal als Inlandswährung, für den Konsum und Transaktionen in der Eurozone. Wir wollen dann sehr schnell den EU-Ländern, die nicht den Euro haben, die Möglichkeit geben, das zu nutzen, wenn sie wollen. Das basiert auf bilateralen Verträgen. Der Einsatz im internationalen Zahlungsverkehr wird sich bis 2028 noch nicht ausgehen.

Worin sehen Sie persönlich den größten Vorteil des digitalen Euro?

Für mich ist der digitale Euro die perfekte Möglichkeit überall die Sicherheit zu haben, dass ich bezahlen kann.

Quelle:
Invest., Nr. 2 / 2025, Das Magazin von IQAM Invest
1 Bildnachweise: © studiohuger.at

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