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Abnahme

Research und Märkte

„Ein Allzeithoch ist kein negatives Signal“

Zeitenwende auch bei der Vermögensbildung: Veränderte Rahmenbedingungen bei Zinsen, politischen Zielsetzungen oder konjunktureller Entwicklung wirken sich massiv auf alle Anlageklassen aus. Deka-Investmentstratege Christoph Witzke zeigt, ob und wie Anlegerinnen und Anleger ihren Portfolio-Mix neu ausrichten oder optimieren können.

Interview mit Investmentstratege Christoph Witzke von der Deka


Die Zinsen sind deutlich gestiegen, Gold ist wieder teurer, Immobilien teils billiger, Staatsanleihen feiern ein Comeback… Wer sein Geld anlegen möchte, der sieht sich inzwischen einer ganz neuen Großwetterlage ausgesetzt, oder?

Absolut, es sind volatile Zeiten mit vielen Faktoren, die sich dyna­misch wandeln. Und die Chancen und Risiken, die sich daraus ergeben, gelten für alle, die ihr Vermögen sichern und mehren möchten.

Also auch für den Privatmann Christoph Witzke?

Natürlich. Mir geht es da nicht anders als unseren Kundinnen und Kunden. Und als Mensch um die 40 gilt auch für mich per­sönlich das, was auch in der Arbeit mein strategisches Handeln bestimmt: 100 Prozent Aktie ist nicht mehr der einzige Weg zur Rendite. Mit Blick auf die zweite Lebenshälfte kann für einen Teil des Kapitals auch ein etwas konservativeres Investieren eine Rolle spielen. Mit der Zinswende hat sich ja hier eine ganz neue – oder vielleicht auch eine lange entbehrte – Welt der Anlagemöglichkeiten eröffnet.

Haben sich denn die Erwartungen daran, wie viel die verschiedenen Assetklassen an Rendite erwirtschaften können, geändert?

Die Aussichten für Renten und Spareinlagen sind doch etwas bes­ser als bei unserer letzten Prognose aus dem vergangenen Jahr. Deshalb ist es auch wieder möglich, für kurzfristige Sparziele oder den Notgroschen festverzinsliche Anlagen zu finden, die der Infla­tion zumindest ein wenig Paroli bieten. Und beispielsweise mit Fonds, die eine Mischung von Rentenpapieren bieten und aktiv managen, sind auch wieder reale Vermögenszuwächse zu erzie­len. Ähnliches gilt für die Rentenanteile in einem Mischfonds. Dennoch: Nach wie vor hat die Aktie für das Ziel eines lang-fristigen Vermögenszuwachses die deutlich höchste Attraktivität. Das bestimmt unser Handeln. Und auch innerhalb der Anlage­klasse Aktie tut sich ja einiges.

Wie meinen Sie das?

Sowohl bei den Aktien von Unternehmen aus Industrieländern als auch aus Schwellenländern sind die Erwartungen gut. Da haben wir unsere Meinung nicht geändert. Viele Firmen haben gerade in den vergangenen Monaten ihre Widerstandskraft unter Beweis gestellt – gute Bilanzen belegen das. In den Kursen vieler Aktien ist zudem schon im letzten Börsenjahr eine milde Rezession 5 fondsmagazin Newsletter 06.2023 eingepreist worden. Nicht zuletzt bei institutionellen Anlegern gab und gibt es eine gewisse Verunsicherung, aber angesichts der langfristig attraktiven Bewertungsniveaus sehen wir die Aktie weiter als lukrativste Anlageform.

Wie sieht es bei den Anleihen von börsennotierten Unternehmen aus?

Generell legen wir als Deka hohen Wert auf gute Bonität und ro­buste Cash-Flows. Das ist es, was zum Ziel der Langfrist-Anlage passt. Wir sind daher selektiv im Spektrum der Anleihen unter­wegs. Gerade bei riskanteren, hoch verzinsten Unternehmensan­leihen, aber auch bei manchen Staatsanleihen greifen wir daher nur vereinzelt zu.

Sie sprachen gerade die Verunsicherung einiger Marktteilnehmer in einem volatilen Umfeld an. Nicht wenige werden sich angesichts der Kursrallye im zweiten Quartal fragen, ob es nicht schon wieder zu spät zum Einsteigen ist.

Das denke ich nicht. Auch beim Dax gilt: Ein Allzeithoch ist doch kein negatives Signal. Das wäre gegeben, wenn wir etwa nach dem Tief im Frühjahr nur ein Strohfeuer bekommen und dann die Kurse wieder massiv nachgegeben hätten. Die grundsätzliche Entwicklung ist ein positives Signal – und erst recht, wenn es die erwähnte „Wall of Worry“ noch gibt.

"Eine Rückkehr zum Negativzins sehen wir nicht. Natürlich können in ein, zwei Jahren das Inflationsbild und die Zinswelt schon wieder andere sein. Die Möglichkeiten, Anleihen als Puffer zu nutzen, bleiben aber. So lassen sich Schwankungen an den Aktienmärkten austarieren."

Christoph Witzke

Deka-Investmentstratege

Sind die Märkte einfach keine ganz normale Großwetterlage mehr gewöhnt – mit Zinsen deutlich über der Nulllinie, ordentlicher Konjunktur, solide laufenden Börsen?

Da ist sicher etwas dran. Strukturell spricht aber doch einiges da­für, dass sich die Lage hält. Denn die Unternehmen und Staaten haben inzwischen auch gelernt, dass kritische Infrastruktur oder globale Lieferketten besser abgesichert werden müssen – und sie handeln. Dazu kommt eine Gewöhnung aller Marktteilnehmer an höhere Preis- und Zinsniveaus.

Also an das neue Normal?

Genau. Und mehr und mehr werden ja auch die Chancen gese­hen. Mit den Anleihen haben wir dabei einen Puffer gewonnen, der gerade bei Mischfonds mehr Möglichkeiten zu einer soliden Entwicklung bietet. Wir können so die relativ hohen Renditen der derzeitigen Zinsphase mittelfristig absichern.

Aber geht das nicht im Effekt trotzdem zulasten des Investments in Aktien? Auch als Manager des Deka-Nachhaltigkeit Dynamisch können Sie ja jeden Euro nur einmal investieren.

Das ist prinzipiell richtig. Auch für diesen Fonds bietet eine pha­senweise erhöhte Anleihequote über Staatsanleihen mehr Stabili­sation und Diversifikation. Die Kunst ist es allerdings, dann auch wieder bei entsprechender Marktlage dynamisch auf der Aktien­seite sich bietende Chancen zu nutzen. Die Mischung macht’s.

Wenn Sie an einen Menschen denken, der heute mit der langfristigen Vermögensbildung beginnt: Sieht für ihn sein Portfolio-Mix anders aus, als wenn er vor zehn Jahren eingestiegen wäre?

Schöne Frage. Wenn ich mir den Investmenthorizont einer Berufs­anfängerin anschaue, die heute in einen Sparplan einsteigt, dann sage ich: Nein, hier hat sich die Asset Allocation nicht geändert. Da sollte sie zu 100 Prozent auf die Aktie setzen. Im Verlauf des Lebens allerdings spielt die Beimischung von Anleihen jetzt eine dynamischere Rolle. Mit Mitte 40 kann dann schon das Verhältnis in Abhängigkeit der Lebenssituation in Richtung 50:50 gehen. Die Renditemöglichkeiten bleiben dennoch intakt.

Fragt sich nur, ob das Zinsumfeld nicht wieder so einknickt wie in den langen Jahren bis 2022?

Eine Rückkehr zum Negativzins sehen wir nicht. Natürlich können in ein, zwei Jahren das Inflationsbild und die Zinswelt schon wieder andere sein. Die Möglichkeiten, Anleihen als Puffer zu nutzen, bleiben aber. So lassen sich Schwankungen an den Aktienmärkten austarieren. Darauf aufbauend braucht es die nötige Geschwindigkeit bei der Anpassung an die Vielfalt der Themen wie KI, Nachhaltigkeit oder Energieversorgung. Denn da ändern sich die Rahmenbedingungen ja deutlich schneller als in früheren Zeiten – denken Sie nur einmal an die ganzen Förderprogramme und Regularien, aber auch den technischen Fortschritt in solchen Feldern. Die Möglichkeiten am Markt entwickeln sich dynamisch – und die wollen wir mit aktivem Management nutzen.

Also eine Sache für Profis?

In Eigenregie ist gerade dieses proaktive Handeln nur schwer für einen Einzelkämpfer oder eine Einzelkämpferin zu bewältigen. Da geschieht es eben allzu oft, dass die nötige Diversifikation bei einer volatilen Marktlage nicht gegeben ist oder Einzelaktien übergewichtet werden. Zudem wird oft die eigene Risikoneigung nicht richtig eingeschätzt oder an Veränderungen bei Einkommenssituation oder höheres Alter nicht optimal angepasst. So entstehen ungewollt Klumpenrisiken; Einzelaktien sind zu stark vertreten, spekulative Werte überrepräsentiert.

Wie ist Nachhaltigkeit als Thema zu bewerten?

Ganz klar, das ist ein Megatrend. Nachhaltigkeit ist ja schon per se auf langfristigen und substanziellen Ertrag angelegt. Das passt perfekt zur entsprechenden Geldanlage.

In allen Assetklassen?

Ja. Das können Sie über entsprechende Fonds sowohl bei Aktien als auch Anleihen, Immobilien oder Rohstoffen abbilden.

Neben den Themen wie Nachhaltigkeit, neue Energie oder KI gibt es ja noch die Regionen: Wie sieht es denn zum Beispiel bei den Emerging Markets aus, bei denen ja manche Beobachter wegen Zinserhöhungen und Inflation eher skeptisch sind?

Aber auch hier sind die Bewertungen bereits angepasst, gerade was China und Asien anbelangt. Die Preise bei Aktien aus Schwellenländern liegen heute auf deutlich niedrigerem Niveau als beispielsweise 2022. Die Wechselkurse von asiatischen Währungen zum Dollar haben abgewertet, die Leitzinsen vieler Emerging-Markets-Staaten liegen deutlich höher als bei uns. Mit Blick aufs Investieren ist diese Region darum solider als noch vor zwei Jahren.

Und die USA?

Behalten ihre hohe Marktbedeutung – trotz vergleichsweise höherer Preise. Da ist eben viel Zukunftserwartung eingepreist. Zu Recht, denn bei Digitalisierung, Vernetzung oder im Gesundheitssektor spielt die Musik dort nach wie vor kraftvoller als in Europa. Wobei auch unsere Heimatregion wieder verstärkt Chancen bietet.

Sie sehen ein Comeback für die Old Economy?

Tatsächlich – und nicht nur für die Finanzindustrie. Das liegt nicht zuletzt auch daran, dass Trends wie Digitalisierung und Nachhaltigkeit mehr und mehr auch in den alteingesessenen Branchen Wachstumspotenzial entfalten. Ein persönliches Beispiel: Ich fahre einen Tesla. Aber dieses Stück Hightech funktioniert nur, weil es auch Lithium-Minen für die Batterien gibt und ein Caterpillar die Maschinen baut, um die Rohstoffe für die neuen Energieträger aus der Erde zu holen. Ein nachhaltiger Anschub für diese klassische Industrie.

Überall neue Möglichkeiten, um Renditen zu erzielen – das klingt ja nach guten Zeiten für das Fondsmanagement?

Aber auch nach anspruchsvollen Zeiten. Denn bei der Mischung der Anlageklassen und auch innerhalb der Assets gilt es, schneller zu handeln. Schauen Sie nur zwölf Monate zurück: Da haben beispielsweise die Tech-Werte noch massiv korrigiert, die Value-Werte dagegen zugelegt. Jetzt ist Tech wieder da. In vielen Aspekten haben wir gerade das seitenverkehrte Spiegelbild von Mitte 2022.

Also schnell reagieren?

Schnell agieren! Das ist der entscheidende Vorteil eines professionellen Portfolio-Mixes mit Langfrist-Perspektive: Wir denken zeitnah an die Wiederanlage – zum Beispiel, wenn eine Anlage am Geldmarkt mit interessantem Zins ausläuft. Und nutzen dann je nach Risikoprofil andere Assetklassen. Das schafft nur selten jemand, der sein Portfolio ganz allein abmischen möchte.

Quelle: fondsmagazin

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