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Impuls

Wettlauf um Chips, Batterien- und Fördergelder.

Weltweit setzt die Industrie auf Halbleiter und Akkus. Und jedes Land versucht die Produktion zu sich zu holen. Deutschland steckt da mittendrin. fondsmagazin analysiert die Hintergründe.

Mai 2023

Halbleiter und Batterien sind in Flugzeugen, in Autos oder in Smartphones verbaut. So ist weltweit ein Wettlauf entstanden, um bei diesen Technologien die Nase vorn zu haben. Und das lassen sich die Staaten in Asien genauso wie in Europa und Nordamerika einiges kosten. Sie überschlagen sich geradezu mit Subventionen – was wiederum die Nachfrage der Unternehmen weckt: Denn wo ein paar Milliarden an Förderung drin sind, geht vielleicht noch mehr. Der Wettlauf um die beste Technologie ist zum Rennen um die höchsten Subventionen geworden.Autohersteller bezeichnen Elektronik und Batterie inzwischen als wichtigste Teile ihrer Fahrzeuge. „Rechenleistung und Intelligenz von Autos entscheiden, ob sie als Premium oder Standard gelten“, sagt Audi-Chef Markus Duessmann. Die Konsequenz: Bei beiden Komponenten wollen sich Hersteller nicht von den großen Playern aus China oder Südkorea abhängig machen. Sie bauen eigene Werke. Gleichzeitig streben asiatische und amerikanische Konzerne hierher. Vor allem Deutschland profitiert. Der Anfang war mühsam, doch jetzt geht etwas.

Schon 2008 nahm die Li-Tec GmbH, ein Gemeinschaftsunter-nehmen von Evonik und Daimler, in Kamenz ihre Arbeit auf. Nach sieben unrentablen Jahren war aber vorerst Schluss. Doch nicht lange: Inzwischen fertigt die Deutsche Accumotive, eine hundertprozentige Tochter von Mercedes-Benz, in Kamenz erneut E-Auto-Batterien. 2018 hat die Firma bereits ihr zweites Werk in der sächsischen Stadt in Betrieb genommen. Und in Grünheide nahe Berlin will Tesla demnächst auch Batterien bauen. Ob es aber wirklich zur versprochenen Massenproduktion kommt, ist unklar, denn das US-Subventionsgesetz, der „Inflation Reduction Act“ (IRA), bewirkt bei Tesla-Chef Elon Musk ein Umdenken: Teslas US-Kundinnen und -Kunden profitieren nur dann von Förderprämien beim E-Auto-Kauf, wenn das Modell samt Akku in den USA produziert wird. Außerdem müssen die für Batterien nötigen Mineralien zu definierten Anteilen aus den USA oder aus Ländern stammen, die ein Freihandelsabkommen mit den Vereinigten Staaten haben. Als Folge hat der Standort Deutschland das Nachsehen. Denn ein Freihandelsabkommen mit den USA gibt es nicht.

Batterien statt Rotorblätter.

Svolt, ein Ableger des chinesischen Autokonzerns Great Wall Mo-tors, plant ebenfalls Batteriefabriken im Saarland sowie im brandenburgischen Lauchhammer. Dort übernehmen die Chinesen ein Gelände des Windenergieanlagen-Herstellers Vestas, der dort die Produktion von Rotorblättern eingestellt hat. Seit 2021 produziert das BMW-Werk Leipzig Batteriemodule. Im Dezember 2022 hat der größte E-Auto-Batteriefabrikant der Welt, CATL, am Erfurter Kreuz seine neue Fabrik in Betrieb genommen. Der chinesische Konzern investierte 1,8 Milliarden Euro. Und das schwedische Unternehmen Northvolt möchte in Deutschland ab 2025 Batteriezellen für E-Autos fertigen. Von Bund und Land gibt es 155 Millionen Euro Förderung für eine Fabrik in Schleswig-Holstein. Northvolt-Chef Peter Carlsson pokert allerdings noch. Er weiß: Das Wirtschaftsministerium plant bis 2030, über 15 Milliarden Euro allein in Batteriezellwerke zu investieren. Abwärts geht es dagegen schon wieder beim deutschen Batteriehersteller Varta: Hier soll eine Kapitalerhöhung das Unternehmen vor der Pleite retten. Die Schwaben hatten sich auf Knopfzellen spezialisiert – und damit nicht auf das, was derzeit besonders gefragt ist.

Die gleiche Situation herrscht bei der Chipproduktion. Es wird angekündigt, gepokert und manchmal sogar gebaut. Im Saarland ließ es sich Bundeskanzler Olaf Scholz im Februar nicht nehmen, persönlich vorbeizukommen. Dort, in Ensdorf auf dem Gelände eines ehemaligen Kohlekraftwerks, soll für mehr als zwei Milliarden Euro eine Halbleiterfabrik für Chips entstehen – in Kooperation zwischen dem US-Konzern Wolfspeed und dem deutschen Getriebehersteller ZF, der damit ein neues Geschäfts-feld erschließt. Warum die Amerikaner ins Saarland kommen: „Die Regierung ist hungrig auf uns“, sagte Wolfspeed-Chef Gregg Lowe, als Scholz vorbeischaute. Entsprechend sicher ist er sich, dass sie es sich etwas kosten lassen wird, den Hunger zu stillen. Mit Blick auf die geplante Investitionssumme rechnet er mit rund einer halben Milliarde an Subventionen. Und er hat die Chance, sie zu bekommen: „Angesichts der Subventionsmöglichkeiten in den USA können viele nicht widerstehen. Unternehmen dürfen hier nicht schlechter gestellt sein als sonst wo“, sagt Jürgen Barke, Landeswirtschaftsminister und einer der Initiatoren des Wolfspeed-Deals.

Intel ringt um Milliarden.

Während dort subventionsmäßig noch alles im Lot ist, läuft ein Projekt in Magdeburg gerade aus dem Ruder. Dort wollte Intel bereits mit dem Bau einer Chipfabrik begonnen haben. Das Grundstück sei gekauft, versicherte Intel-Vorstandsmitglied Key-van Esfarjani kürzlich und kündigte den Baubeginn „vielleicht“ für 2024 an. Sein Chef Pat Gelsinger allerdings warnt vor zu viel Optimismus: „Ohne klarere Zusagen von Kunden werde ich nicht mehrere Milliarden Dollar in die Ausrüstung für Chipfabriken stecken.“ Die finanzielle Unterstützung der Bundesregierung sei, sagt auch Esfarjani, angesichts der unsicheren Nachfrage „ein Schlüsselfaktor“. Klar wird damit, worum es in Sachsen-Anhalt geht: Hier wird hart um Milliardensubventionen gerungen. Intel verlangt nach unbestätigten Berichten statt der ursprünglich vereinbarten 6,8 Milliarden Euro inzwischen zehn Milliarden als Unterstützung. Finanzminister Christian Lindner hat daraufhin erklärt, der Staat lasse sich nicht erpressen.

Um die Ecke klappt es besser: Die Region Dresden sieht sich als Taktgeber bei der Chipproduktion. Rund 70.000 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter beschäftigt die Branche dort. Inzwischen kommt jeder dritte in Europa produzierte Halbleiter aus „Silicon Saxony“. Bosch zog 2021 für eine Milliarde Euro – die größte Investition der Firmengeschichte – in Flughafennähe ein Chipwerk hoch. Rund 140 Millionen Euro steuerten Bund und Land bei. Jetzt soll die Anlage für weitere 250 Millionen Euro erweitert werden. Mächtigster Anbieter im „Silicon Saxony“ ist Auftragsproduzent Global Foundries, der im größten Halbleiterwerk Europas Chips für Autos, Smartphones, Mobile Banking oder die 5G-Technologie fertigt. Infineon plant neben der bestehenden Anlage im Norden Dresdens ein zweites Werk mit 1.000 Arbeitsplätzen für fünf Milliarden Euro. Das Werk soll 2026 in Betrieb gehen. Rund eine Milliarde Euro wollen der Bund und vor allem die EU in die Anlage stecken.

Wer mit den Förderpolitikern spricht, hört dabei inzwischen einen Hauch Verzweiflung, wenn sie von „der EU“ reden. „Es ist tragisch, dass wir hier mit einer Handschlagmentalität arbeiten müssen, weil anderswo so viel verbummelt wird“, sagt Minister Barke. Was er meint: Wolfspeed kommt, weil die Saarländer per Handschlag Subventionen versprochen haben, die Brüssel aber offiziell noch nicht genehmigt hat. Die Bummelei war so lange kein Problem, wie andere auch nicht von der Stelle kamen. Inzwischen locken jedoch vor allem die USA mit hohen Subventionen. Bis Mitte des Jahrzehnts werden US-Chipkonzerne mehr als 122 Milliarden Dollar in neue Werke in Amerika stecken, zeigt eine Auswertung des Lieferkettenspezialisten Everstream. Der Bauboom führt zu einer Kräfteverschiebung. Amerika gewinnt an Gewicht, Europa hat Mühe hinterherzukommen. In der EU gehen Everstream zufolge bis 2025 lediglich Fabriken mit einem Investitionsvolumen von 32 Milliarden Dollar in Betrieb. Dabei hat sich die EU zum Ziel gesetzt, bis 2030 ihren Anteil an der weltweiten Chipproduktion auf 20 Prozent zu verdoppeln.

Geld, das nicht fließt – manche finden das nicht so verkehrt. Reint Gropp zum Beispiel, Präsident des IW in Halle, kritisiert die staatliche Unterstützung beim Bau von Fabriken scharf. „Wir werfen das Geld zum Fenster raus“, warnt er. Subventionen von einer Million Euro für jeden Arbeitsplatz seien schlicht zu viel: „Warum sollte man so profitablen Unternehmen noch Geld geben?“ Die Antwort wäre: weil es die anderen auch machen.

Quelle: fondsmagazin

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