Abnahme

Engagement

Nichts ist so beständig wie der Wandel – die Transformation deutscher DAX-Konzerne.

Disruptive Innovationen, steigende ökologische und soziale Standards sowie aktivere Aktionäre stellen deutsche Unternehmen vor große Herausforderungen. Ingo Speich, Leiter Nachhaltigkeit und Corporate Governance bei der Deka, zeigt, wie börsennotierte Unternehmen die Transformation als Chance nutzen können und wie die Deka als Investorin diesen Prozess anstoßen, begleiten und unterstützen kann.

September 2023

Digitalisierung, Nachhaltigkeit oder Wandel der Geschäftsmodelle – die Transformation hat die deutschen Unternehmen fest im Griff. Vor allem unter den im DAX notierten Firmen gibt es mittlerweile kaum noch ein Unternehmen, das sich nicht im Wandel befindet. In den vergangenen drei Jahren haben sich eine Vielzahl an Treibern herauskristallisiert, die auf die Unternehmen einwirken, und die es in dieser Form zuvor noch nicht gab. So forcieren die Gesetzgeber erhebliche regulatorische Veränderungen in Bezug auf Nachhaltigkeit und Klimawandel, begeben massive Subventionsprogramme in verschiedenen Branchen, und aktivistische Investoren klopfen an die Türen der Unternehmen. Von diesen Herausforderungen sind gerade DAX-Konzerne vielfach betroffen.

„Transformation bietet Chancen“, stellt Ingo Speich, Leiter Nachhaltigkeit und Corporate Governance bei der Deka, klar. „Es ist unerlässlich, dass Unternehmen sich im Laufe ihres Lebenszyklus weiterentwickeln und auf veränderte Marktbedingungen reagieren müssen. Wenn dies von der Unternehmensführung rechtzeitig erkannt und angemessen vorangetrieben wird, bieten sich durch eine Transformation enorme Chancen. Die Konsequenz ist im besten Fall eine erfolgreichere Ausrichtung des Unternehmens und damit eine Ausweitung des Kurs-Gewinn-Verhältnisses.“ Denn Transformation ist immer auch bewertungsrelevant. Dies lässt sich im DAX sehr gut beobachten. Unternehmen, die nicht schnell genug auf sich ändernde Geschäftsmodelle oder Umwelteinflüsse reagieren, müssen eine Veränderung ihrer Risikoprämien sowie ein Sinken ihrer Bewertung, und damit der Attraktivität ihrer Anteile als Kapitalanlage, hinnehmen.

Der negative Einfluss der Transformation auf Bewertungen der Automobilhersteller.

„Die Automobilbranche beispielsweise ist von der Klimaregulierung massiv betroffen, hat sehr spät auf die Veränderungen reagiert und letztlich zu lange an den tradierten Geschäftsmodellen festgehalten“, moniert Speich. Die gesellschaftliche Dynamik und der regulatorische Druck hin zur Elektromobilität, etwa durch CO2-Vorgaben, erwischten die Automobilhersteller (OEM - Original Equipment Manufacturer) daher auf dem falschen Fuß. Im Zuge der Transformation verlieren bestehende Patente an Wert, neue Kompetenzen müssen aufgebaut werden und Wettbewerbsvorteile nehmen ab. „Angesichts dessen sind viele Investoren skeptisch, ob die Hersteller von heute auch im Automarkt der Zukunft erfolgreich sein werden. Dazu kommen derzeit auch noch konjunkturelle sowie geopolitische Faktoren, die sich in den vergangenen Jahren komplett gedreht haben“, so Speich. „Entsprechend haben sich die Bewertungen der Unternehmen massiv verschlechtert.“

Die KGV vieler OEM haben sich gegenüber 2008 halbiert, und sind von ca. zwölf auf nur noch sechs bis sieben im Jahr 2023 gefallen. Der Rest des DAX hingegen hat im Mittel ein KGV von 15. Und obwohl sie 2022 rund 45 Prozent der Gewinne aller DAX-Unternehmen erzielt haben, machen die OEM nur 20 Prozent der gesamten DAX-Kapitalisierung aus – ein massives Ungleichgewicht. Dieser Bewertungsabschlag trotz Rekordprofitabilität ist das Resultat einer verschlafenen Transformation und des darauffolgenden Misstrauens der Aktionäre.

Begleitung der Unternehmen in der Transformation.

Es gibt jedoch auch positive Beispiele; Unternehmen, die die Notwendigkeit der Transformation verstanden und dies in ihrer strategischen Ausrichtung berücksichtigt haben. So etwa RWE, das früher vor allem auf große Kraftwerke und Kohleproduktion spezialisiert war. Die daraus resultierenden hohen CO2-Emissionen und die Fokussierung auf Großkraftwerke führten in der Folge zu einem enormen Bewertungsabschlag. Zudem hat das Reaktorunglück in Fukushima den Strukturwandel in der deutschen Energiebranche beschleunigt. So ist die Aktie zwischen Januar 2008 und September 2015 von 97,4 Euro auf 9,6 Euro gesunken. Seit das Unternehmen jedoch im Jahr 2019 einen Wechsel der Unternehmensstrategie hin zu erneuerbaren Energien vollzogen hat, steigt der Aktienkurs wieder und liegt mittlerweile wieder bei 38,8 Euro. Unternehmen, die Transformation proaktiv angehen, werden also durchaus auch vom Kapitalmarkt belohnt.

Wie positioniert sich die Deka als aktiver Investor in diesem Umfeld? „Hier gibt es verschiedene Ansatzpunkte“, so Ingo Speich. „Zum einen ist eine frühzeitige und umfassende Analyse der Unternehmen und der Branche unerlässlich. Hier hilft uns die breite Expertise und unser tiefes Verständnis für die Geschäftsmodelle der Unternehmen, die wir durch unsere Analystinnen und Analysten im Aktienteam aufgebaut haben, um sich anbahnende Transformationen frühzeitig zu erkennen.“ Darüber hinaus muss bei Unternehmen, die bereits in einem Veränderungsprozess stecken, geprüft werden, in welcher Phase des Transformationszyklus sie sich befinden. Denn strukturelle Neubewertungen können immer auch eine Chance darstellen und die Möglichkeit bieten, bei einem Unternehmen, das sich für die Zukunft neu aufstellt, günstig einzusteigen.

"Als professioneller Vermögensverwalter sehen wir uns in der Pflicht, in einen aktiven Dialog mit unseren Portfoliounternehmen zu treten und Anreize für langfristige und nachhaltige Veränderungen zu schaffen"

Ingo Speich

Leiter Nachhaltigkeit und Corporate Governance bei der Deka.

Engagement ist kein Selbstzweck – langfristige Wertsteigerung als Ziel.

Nicht zuletzt stößt die Deka Transformationsprozesse an und begleitet die Unternehmen dabei. Dazu gehört, nicht sofort die Aktien oder Anleihen zu verkaufen, sondern auch Finanzierungsmittel zur Verfügung zu stellen, wenn sich das Unternehmen in die richtige Richtung bewegt. „Durch Gespräche mit den Unternehmensvertretern auf Vorstands- oder Aufsichtsratsebene können wir auf Missstände hinweisen und auf die Unternehmen einwirken. Als professioneller Vermögensverwalter sehen wir uns in der Pflicht, in einen aktiven Dialog mit unseren Portfoliounternehmen zu treten und Anreize für langfristige und nachhaltige Veränderungen zu schaffen“, fasst der Governance-Experte den Ansatz des Hauses zusammen. Diese Pflicht nimmt die Deka durchaus ernst: Im Jahr 2023 haben die Experten auf 29 Hauptversammlungen Reden gehalten und aktiv auf mögliche Missstände, aber auch auf vorbildliche Unternehmensführung hingewiesen und bei rund 1.000 Hauptversammlungen weltweit abgestimmt. Die Abstimmung erfolgt dabei auch im Rahmen der passiven Produkte.

Engagement ist jedoch kein Selbstzweck, sondern die Deka hat als Vermögensverwalterin auch eine treuhänderische Funktion und somit die Verantwortung, für eine langfristige Wertsteigerung der ihr anvertrauten Kapitalanlagen zu sorgen. Da Unternehmen, die Transformationen ignorieren, eine Gefährdung ihres Geschäftsmodells und des Unternehmenserfolges riskieren, ist Engagement immer auch ein Mittel zur Sicherung von Renditen.

Druck durch aktivistische Investoren nimmt zu.

Doch nicht nur die Deka greift das Thema Transformation in ihrer Investmentstrategie auf. Auch aktivistische Investoren haben realisiert, dass viele deutsche Unternehmen hier eine offene Flanke haben. Im Gegensatz zur Deka geht es ihnen meist nicht um eine nachhaltige Verbesserung des Unternehmens, sondern um eine kurzfristige Wertsteigerung der Anteile, etwa durch den Verkauf von Unternehmensteilen oder einen Aktienrückkauf. Deutschland verfügt im Gegensatz zu den USA beispielsweise immer noch über viele Unternehmen mit einem „traditionellen Geschäftsmodell“. Darüber hinaus verfügen die Gesellschaften oft über hohe Kassenbestände oder setzen sich aus Konglomeraten zusammen und bieten so weitere Angriffsflächen. Entsprechend hat sich der Trend zu aktivistischen Investoren in den vergangenen Jahren noch verstärkt, sodass Deutschland nach Großbritannien mittlerweile der zweitgrößte Markt in Europa für solche Finanzinvestoren ist.

Die Deka arbeitet grundsätzlich nicht mit solchen aktivistischen Investoren zusammen, da ihr Selbstverständnis als Wertpapierhaus der Sparkassen grundlegend von langfristigen Zielen geprägt ist. „Wir sind bestrebt, mit unseren Investments auch eine positive Veränderung für die Gesellschaft anzustreben. Entsprechend langfristig gehen wir das Thema Transformation in Unternehmen an“, legt Speich dar. „Wenn wir frühzeitig in ein Unternehmen investieren, das sich neu ausrichtet, können wir auch davon profitieren, dass sich die Risikoprämien verändern und zusätzliche Erträge generiert werden.“

Weitere interessante Artikel