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Abnahme

Trends und Innovation

„KI ist Tutor, Sparringspartner und Coach“

Agnes Heftberger, Deutschlandchefin von Microsoft, spricht mit fondsmagazin über die transformative Kraft künstlicher Intelligenz (KI), die Chancen für Deutschland und die Verantwortung, die mit technologischer Innovation einhergeht.

November 2025

Interview mit Agnes Heftberger, Deutschlandchefin von Microsoft.


Frau Heftberger, was ist Ihre Vision von künstlicher Intelligenz (KI)?

Wir sehen KI als eine Technologie, die uns in die Lage versetzt, das Beste aus uns selbst, unseren Teams und Organisationen heraus­zuholen. KI ist die perfekte Querschnittstechnologie, um genau das zu tun. Unsere Vision stellt den Menschen in den Mittelpunkt. Deshalb sprechen wir von einem „Copiloten“: Die KI ist nicht der Pilot, sondern der Begleiter, der je nach Anwendungsfall als Tutor, Sparringspartner oder Coach fungiert.

Copilot klingt vertraut. Hat diese Vermenschlichung einen Hintergrund?

Ja, sie trägt dazu bei, Ängste zu nehmen. Gleichzeitig ist es eine positive Aufforderung, die Zukunft aktiv zu gestalten. Zukunft ist nichts, was uns einfach passiert. Wir als Menschen sind die Ge­stalter – und KI ist ein Werkzeug, das uns dabei unterstützt.

Wie setzt Microsoft KI aktuell ein?

Wir haben KI bereits in unsere existierende Produktpalette integriert. Der Copilot unterstützt bei einfachen Aufgaben, aber auch bei komplexeren Prozessen. Bei PowerPoint werden dem Nutzer beispielsweise automatisch gestalterische Designalternati­ven angeboten. Unsere Vertriebs- und Marketingteams nutzen KI-Agenten, und auch in Bereichen wie Finanzen oder Personal­wesen setzen wir KI ein. Wir befinden uns selbst in einer Trans­formation – und das als Unternehmen, das nicht „born in AI“ ist, sondern sich wie viele andere Organisationen wandelt.

"Wenn Europa seine Souveränität stärkt und eine eigene Innovationskultur lebt, können wir die digitale Zukunft aktiv mitgestalten – Forschung mit Wirkung, nicht nur im Labor."

Agnes Heftberger

Deutschlandchefin von Microsoft.

Wie wird KI die Zusammenarbeit in Unternehmen verän­dern?

Das Zauberwort lautet „Leapfrogging“. KI macht es möglich, mehrere Entwicklungsstufen auf einmal zu überspringen. Wir werden eng mit lernfähigen, persönlichen KI-Assistenten zusam­menarbeiten. Diese sogenannten KI-Agenten lernen mit, han­deln eigenständig und arbeiten vorausschauend im Teamkon­text. Sie entwickeln sich von digitalen Werkzeugen zu kompetenten Kolleginnen und Kollegen. In Zukunft werden Teams nicht nur mit KI arbeiten, sondern ganze Systeme aus Agenten steuern, die eigenständig Aufgaben übernehmen und miteinander kooperieren.

Welche konkreten Anwendungen gibt es bereits?

Es gibt zum Beispiel „Research Agents“, die wissenschaftliche Ab­handlungen, Analysen oder Präsentationen erstellen können – ba­sierend auf Daten aus Excel, Unternehmensquellen oder anderen Tools. Darüber hinaus kann etwa ein „Factory Operations Agent“ Mitarbeitende in der Produktion dabei unterstützen, die Daten ihrer Maschinen durch Abfragen in natürlicher Sprache zu analysieren und Fertigungsprozesse zu optimieren. Das ist alles keine Zukunftsmusik, sondern bereits Realität.

Wie sieht es im privaten Bereich aus?

Unsere Vision ist, dass Nutzende verbal mit Programmen, Maschi­nen und Prozessen interagieren können – etwa über Copilot auf dem Handy. Meine Kinder nutzen das bereits, um Fragen zu klä­ren wie „Wie elektrifiziere ich mein Lego-Boot?“. Solche Interak­tionen machen KI greifbar und zugänglich.

Aber besteht nicht die Gefahr, dass Menschen durch KI gewisse Fähigkeiten verlernen?

Genau deshalb müssen wir Bildung neu denken. KI sollte als Be­gleiter verstanden werden, der beim Lernen, kritischen Hinterfra­gen, Kontextverstehen und Überprüfen von Quellen unterstützt. Es geht darum, Fähigkeiten zu fördern, die wir in Zukunft brau­chen. Deshalb setzen wir bei Microsoft stark auf Befähigung und Bildung.

Wie bereitet Microsoft Kinder und Jugendliche auf diese Zukunft vor?

Wir haben zahlreiche Skilling-Programme. In Nordrhein-Westfa­len qualifizieren wir beispielsweise 2.500 Lehrerinnen und Lehrer für den verantwortungsvollen Einsatz von KI im Schulalltag. Zu­dem arbeiten wir in der Allianz für KI-Kompetenz mit Unterneh­men zusammen, um Menschen auf eine Welt vorzubereiten, in der sie nicht nur mit menschlichen Kolleginnen und Kollegen, sondern auch mit KI-Agenten interagieren.

Welche Anstrengungen unternimmt Microsoft beim Thema Sicherheit?

Sicherheit hat für uns oberste Priorität. Wir haben über 34.000 Ingenieure, die sich ausschließlich mit dem Thema Security be­fassen. Unsere Plattform wird täglich auf verdächtige Aktivitäten überwacht, und wir arbeiten eng mit lokalen Behörden und Orga­nisationen wie dem BSI zusammen. Ein Beispiel ist die Ukraine: Vor den ersten physischen Angriffen konnten wir die gesamte IT-Infrastruktur in Sicherheit bringen und so den Betrieb aufrecht­erhalten. Sicherheit ist die Grundlage für alles, was wir tun.

Lässt sich ein System gegen manipulative Eingriffe überhaupt schützen?

Daran arbeiten wir tagtäglich. Wir haben eigene „SWAT-Teams“, die jede verdächtige Bewegung analysieren. Zudem helfen uns Ko­operationen mit Behörden und Organisationen, um Bedrohungen frühzeitig zu erkennen. Es ist ein ständiger Prozess, aber wir sind überzeugt, dass wir durch technologische Innovation und Zusam­menarbeit ein hohes Maß an Sicherheit gewährleisten können.

Wie hat sich die Berufswelt bei Microsoft durch KI verän­dert?

Es werden vor allem neue Kompetenzen benötigt, da sich die Tech­nik und die Anforderungen ständig weiterentwickeln. Zum Beispiel unsere Cloud: Sie verfügt über 2.000 unterschiedliche Sprachmo­delle, um geschriebene und gesprochene Wörter zu verstehen und nachzuahmen. Die Frage ist, welches Modell für welchen Use-Case geeignet ist. Neue Kompetenzen entstehen, wie man mit Agenten interagiert oder Teams aus Agenten führt. Es geht nicht darum, selbst Modelle zu entwickeln, sondern Prozesse zu orchestrieren, Daten zu interpretieren und KI sinnvoll einzusetzen. Fachkräfte müssen lernen, mit KI zu arbeiten – nicht gegen sie.

Gibt es ethische Bedenken bei der Nutzung von KI?

KI ist eine Querschnittstechnologie, die viele Veränderungen mit sich bringt. Deshalb braucht sie klare Regeln und Rahmenbedin­gungen. Bei Microsoft haben wir uns schon vor Jahren eigene Grundsätze für den Umgang mit KI auferlegt – lange bevor es formale Regulierungen wie den EU-AI-Act gab.

Reichen die EU-Regeln aus?

Gut gemachte Regulatorik kann eine Chance sein, weil sie das Vertrauen in die Technologie stärkt. Unser Ansatz ist es, strikter als jede Regulatorik zu sein. Wir verstehen die Fähigkeiten dieser Technologie und wollen sie verantwortungsvoll einsetzen.

Welche Chancen bietet KI für Deutschland?

KI bietet ein enormes Potenzial, gerade weil Deutschland bei der Digitalisierung Nachholbedarf hat. Mit KI können wir einige die­ser Lücken schließen. Deutschland verfügt über Datenschätze aus der Industrie, die bisher kaum genutzt wurden. Diese Daten mit KI zu kombinieren, kann ein globaler Wettbewerbsvorteil sein.

Microsoft investiert über drei Milliarden Euro in Rechen­zentren in Deutschland. Warum?

Wir sehen ein riesiges Potenzial in Deutschland. Unsere Investition in den Ausbau der Cloud- und KI-Infrastruktur ist die größte, die wir hier je getätigt haben. Wir bauen Kapazitäten im Rheinischen Revier und in Frankfurt aus, um die technologische Zukunft Deutschlands zu unterstützen.

Und wie bringen Sie die Möglichkeiten von KI an die Menschen?

Um einen Beitrag zur Bekämpfung des Fachkräftemangels zu leis­ten, haben wir gemeinsam mit Partnern wie der DHL Group eine Weiterbildungsoffensive gestartet. Bis zu 1,2 Millionen Menschen in Deutschland werden bis Jahresende im Bereich KI geschult. Denn KI verändert unsere Arbeitswelt grundlegend, aber nur wer versteht, wie sie funktioniert und wie man sie sinnvoll einsetzt, kann wirklich davon profitieren.

Wer wird zukünftig von wem lernen – die KI vom Menschen oder umgekehrt?

Beide voneinander. Systeme mit KI werden uns immer besser ver­stehen – unsere Sprache, Präferenzen und Arbeitsstile.

Quelle: fondsmagazin

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