Research und Märkte
Finanzkompetenz zahlt sich aus – für Unternehmen und Mitarbeitende.
Die Finanzbildung in Deutschland ist ausbaufähig. Auch Unternehmen sind gefragt, ihren Teil dazu beizutragen, denn Finanzwissen ist nicht zuletzt ein Produktivitätsfaktor, erklärt Professor Dr. Olaf Stotz auf dem diesjährigen „Deka Forum betriebliche Altersversorgung“.

August 2025
Die Finanzkompetenz in Deutschland ist nicht ausreichend – so das Ergebnis einer 2024 veröffentlichten Studie der OECD. Zwar schneiden die Bürgerinnen und Bürger im internationalen Vergleich recht gut ab, absolut gesehen gibt es aber noch dringenden Verbesserungsbedarf. Obwohl Deutschland im EU-Vergleich im oberen Drittel rangiert, konnten nur 32 Prozent der Befragten fünf einfache Fragen zu Finanzwissen korrekt beantworten (vier oder fünf richtige Antworten). 22 Prozent der Befragten verfügten mit keiner oder nur einer richtigen Antwort über ein sehr eingeschränktes Verständnis finanzieller Zusammenhänge, während mit 46 Prozent der Großteil der Befragten wenigstens zwei oder drei Fragen korrekt beantworten konnte. Insbesondere Menschen mit niedrigem Einkommen und niedrigem Bildungsniveau, Frauen sowie junge Erwachsene weisen demnach ein geringeres Finanzwissen auf. Olaf Stotz, Professor für Asset Management und Pension Economics an der Frankfurt School of Finance & Management, sieht auf dem diesjährigen „Deka Forum betriebliche Altersversorgung“ die Unternehmen in der Pflicht, denn trotz vieler Initiativen bleibe das Problem, dass letztlich zu wenige Akteure Programme zur Finanzkompetenz auch umsetzen: „Angebote zur finanziellen Bildung für Mitarbeitende sind für Unternehmen absolut sinnvoll. Es ist in ihrem eigenen Interesse, die Finanzkompetenz ihrer Angestellten zu steigern. Diese sollte jedoch nicht zu eng gefasst werden – reines Wissen alleine ist nicht alles. Nur wenn Gelerntes auch angewandt und das Leben danach ausgerichtet wird, hat es positive Auswirkungen. Die OECD definiert Finanzkompetenz daher als die Kombination von Wissen, Verhalten und Einstellungen.“
Mit Blick auf die Aktienkultur und die Herausforderungen des Rentensystems in Deutschland sind vor allem zwei Zielfelder der OECD-Studie relevant: Langfristiges Sparen und Altersvorsorge sowie Beteiligung am Kapitalmarkt. Denn trotz des sinkenden Rentenniveaus verfügen nur ca. 50 Prozent aller Bürgerinnen und Bürger über Produkte der betrieblichen oder privaten Altersvorsorge. Zudem sparen zwar 90 Prozent der Menschen in Deutschland regelmäßig, aber nur 18 Prozent investieren in Anlageprodukte, mit denen sie von der Entwicklung des Kapitalmarkts profitieren können. Es stellt sich daher die Frage, ob sich diese Zahlen mit finanzieller Bildung erhöhen lassen. Für Professor Stotz ist die Lage klar: „Es lässt sich empirisch sehr gut nachweisen, dass Programme zur Financial Education effektiv sind. Laut Studien ist es so möglich, die Partizipation am Kapitalmarkt um rund 120 Prozent zu erhöhen oder die Altersvorsorgeplanung signifikant zu verbessern. Hier handelt es sich nicht nur um Korrelationen, sondern tatsächlich um kausale Zusammenhänge. Das ist insbesondere deswegen relevant, da sich bis zu 40 Prozent der Ungleichheit beim Rentenvermögen auf Unterschiede in der Finanzbildung zurückführen lassen. Grundsätzlich erzielen Menschen mit einer großen Finanzkompetenz eine ca. doppelt so hohe Rendite in der Kapitalanlage wie Menschen mit wenig Finanzwissen.“
Garantien kosten Geld.
„Ein Grund dafür liegt im mangelnden Verständnis von Zinseszins und Garantiekosten“, so Experte Stotz. Demnach sei vielen Menschen zum einen nicht bewusst, welche massiven Auswirkungen auf die Rendite der Zinseszins bei langen Anlagehorizonten habe. Zum anderen würden sie den Nutzen von Kapitalgarantien über- und ihre Kosten unterschätzen, was dazu führe, dass sie vor allem auf renditeschwachen Wegen vorsorgten, erklärt er: „Bei einem Investment von 100.000 Euro über nur 15 Jahre belaufen sich die Kosten für eine Kapitalgarantie auf über 150.000 Euro. Bei einem Anlagehorizont von 25 Jahren zahlen die Anlegenden sogar das Vierfache und über 35 Jahre das Achtfache des ursprünglichen Anlagebetrags. Das ist den wenigsten Menschen bewusst. Stattdessen fokussieren sie sich sehr stark auf die vermeintlich positiven Aspekte – ohne zu realisieren, dass es sich bei Kapitalgarantien um Nominalgarantien handelt und das Geld nach 35 Jahren bei gleicher Summe deutlich an Wert verloren hat. Insbesondere in der Altersvorsorge stehen Anlegende aufgrund der langen Zeiträume jedoch vor hohen Inflationsrisiken.“
Umso wichtiger sind attraktive Realrenditen auf das investierte Geld. Im Betriebsrentenstärkungsgesetz aus dem Jahr 2017 hat die große Koalition mit dem Sozialpartnermodell einen neuen Durchführungsweg ohne Garantien eingeführt. Dennoch wird auch in der betrieblichen Altersvorsorge leider noch viel zu häufig auf renditearme Modelle gesetzt – oftmals auf Wunsch von Arbeitnehmern und Arbeitnehmervertretern. „Das Ziel muss daher sein, in der betrieblichen Altersversorgung und in der privaten Vorsorge mehr Risiko und damit mehr Rendite zuzulassen“, unterstreicht Fachmann Stotz“.
Finanzkompetenz ist mehr als nur Wissen.
Für Stotz liegt es am Ende im Eigeninteresse von Unternehmen, die finanzielle Bildung ihrer Mitarbeitenden zu steigern: „Mit Angeboten zur Financial Education können Firmen langfristig bares Geld sparen und gleichzeitig ihren Arbeitnehmern etwas Gutes tun. Zudem profitieren sie gleich doppelt von entsprechenden Programmen, denn Benefits wie betriebliche Altersversorgung entfalten ihre Wirkung zur Gewinnung und Bindung von Mitarbeitenden nur, wenn diese die immensen Vorteile, welche sie dadurch erhalten, auch verstehen.“ Am besten erreiche man die Menschen dabei, wenn sogenannte „teachable moments“ wie der Berufseinstieg, Heirat oder die Geburt von Kindern genutzt werden, um Aufklärungsarbeit zu leisten. Es brauche gar nicht zwingend regelmäßige Informationsveranstaltungen. Wichtiger sei vielmehr, Information so zu vermitteln, dass sie auch verständlich sind und die Mitarbeitenden punktuell anzusprechen, wenn sie positive Momente erlebten und für die Themen offen seien. Allerdings brauche es nicht immer unbedingt Informationsangebote, schließt Stotz: „Die Frage ist, wo das Defizit liegt – im Wissen oder in der Umsetzung. Dort sollten wir ansetzen. Denn wenn Mitarbeitende bereits gut informiert sind, kann es sinnvoller sein, Anreize für Verhaltensänderungen zu schaffen, statt zusätzliches Wissen zu vermitteln. Denken Sie nur an Sport: Nur weil ich weiß, dass mir Bewegung guttut, gehe ich noch lange nicht regelmäßig ins Fitnessstudio.“ Die Untersuchungen der Hinterbliebenensterblichkeit weisen vergleichbare Ergebnisse auf. Im Gegensatz dazu zeigt sich bei der Analyse der Invalidisierungswahrscheinlichkeiten eine deutliche Abnahme der Invalidisierungsfälle, die sich im Zeitablauf verstärkt. Mögliche Erklärungen dafür können laut Lucius strukturelle Veränderungen wie die Verlagerung von körperlicher zu geistiger Arbeit und ein besserer Arbeitsschutz sowie die positive konjunkturelle Entwicklung bis 2020 sein: „Historisch lässt sich beobachten, dass vermehrt Menschen in die Invalidität geschickt wurden, wenn es konjunkturell schlecht lief. Die gute wirtschaftliche Situation in den vergangenen Jahren kann sich hier also durchaus positiv auf die Invalidenraten ausgewirkt haben.“ Corona-Effekte seien bisher noch nicht zutage getreten. Dies sei aber aufgrund der oft mehrjährigen Anerkennungsverfahren für Erwerbsminderungsrenten auch nicht zu erwarten gewesen.
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