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Abnahme

Research und Märkte

Es geht um mehr als niedrige Zinsen.

Die US-Notenbank Fed senkt die Zinsen, die EZB hat ihren Zyklus fast abgeschlossen. Aber die Notenbankchefs beschäftigen noch weitere Themen: In den USA geht es um den Einfluss der Regierung auf die Geldpolitik, in Europa um bessere wirtschaftliche Rahmenbedingungen. Warum Anlegerinnen und Anleger auf beiden Seiten des Atlantiks optimistisch bleiben können, erläutern die Deka-Experten Ulrich Kater und Joachim Schallmayer.

Oktober 2025

„Jerome Powell hat einen der leichtesten Jobs in Washington. Er kommt einmal im Monat ins Büro, wirft eine Münze und ent­scheidet.“ Diese abfällige Bemerkung über den Fed-Präsidenten und seine Zinspolitik stammt von US-Präsident Donald Trump. Ei­nen ungebetenen Rat gab es noch dazu: Powell solle endlich ent­schlossener handeln und die Leitzinsen drastisch senken. Niedri­gere Zinsen würden den Schuldendienst erleichtern und die Konjunktur anschieben. Trump belässt es aber nicht bei Ratschlä­gen. Seit Wochen übt er starken politischen Druck auf die Fed aus und versucht, mehr Einfluss auf sie zu bekommen.

Und tatsächlich hat die US-Notenbank am 17. September – nach neun Monaten ohne Veränderungen – den Leitzins um 25 Basispunkte gesenkt. Die Spanne liegt nun bei 4,00 bis 4,25 Pro­zent. Zwei weitere Zinsschritte bis Jahresende wurden bereits avi­siert. Ein Kniefall vor dem Präsidenten? „Keineswegs, es handelt sich um eine geldpolitisch fundierte Entscheidung“, stellt Ulrich Kater, Chefvolkswirt der Deka, richtig. Die Fed verfolgt ein doppel­tes Mandat: einen gesunden Arbeitsmarkt und stabile Preise. Beide Indikatoren liefen zuletzt auseinander: Der schwächelnde Arbeits­markt sprach für niedrigere Zinsen, die hohe Inflation dagegen.

„Die Fed hat nicht gezögert, wie Trump meint. Erst seit Kur­zem zeigen die Daten klarer in Richtung Lockerung“, sagt Ulrich Kater. Ein Leitzins von über 4 Prozent gilt als restriktiv, dämpft also Konjunktur und Inflation. Angesichts rückläufiger Wachstums- und Arbeitsmarktzahlen sei das nicht länger angemessen. Ein Ni­veau von etwa 3 Prozent wäre perspektivisch neutral und passend zur Gesamtsituation.

Gute Stimmung an den Aktienmärkten.

Aus Sicht von Anleihe- und Aktieninvestoren bewegen sich die Leitzinsen also in die richtige Richtung, die restriktive Geldpolitik geht zu Ende. Vor allem an den Aktienmärkten gibt es aber noch weitere Gründe für die freundliche Stimmung. „Die Befürchtung, dass die chaotische Wirtschafts- und Zollpolitik der US-Regierung die Konjunktur abwürgen könnte, hat sich bislang nicht bewahr­heitet. Die hohe Widerstandsfähigkeit ist eine Überraschung“, erklärt Joachim Schallmayer, Leiter Kapitalmärkte und Strategie der Deka. „Auch bei der Inflation sind die Einflüsse der Zölle ge­ringer als im Vorfeld befürchtet und der Welthandel hat zuletzt sogar leicht zugelegt. Vor allem aber liefern die Unternehmen deutlich bessere Ergebnisse als gedacht.“

In Zahlen: Das durchschnittliche Gewinnwachstum der Aktien im Leitindex S&P 500 wird dieses Jahr voraussichtlich 13 Prozent erreichen, Analysten hatten zu Jahresbeginn 9 Prozent prognostiziert. Im kommenden Jahr sind ähnliche Zuwächse mög­lich. Joachim Schallmayer hält fest, dass zurzeit nicht ausschließ­lich die chaotische Politik die Achillesferse der Wall Street ist, son­dern die Bewertung: „US-Aktien sind mittlerweile sehr teuer. Doch solange die Unternehmen Quartal für Quartal glänzende Gewinne melden, sind die Kursanstiege fundamental untermauert.“

Billionenverschuldung - aber kein Drama.

Offen bleibt die Frage nach der gigantischen Staatsverschuldung von über 37 Billionen US-Dollar (124 Prozent des BIP). Kann die US-Regierung dauerhaft Zinsen von 1,5 Billionen Dollar – Tendenz steigend – stemmen? Werden internationale Investoren weiter Treasuries kaufen? „Ja“, sagt Schallmayer, „die USA haben den mit Abstand größten Kapitalmarkt und sind der Schuldner mit dem liquidesten Anleihemarkt. Investoren haben keinen echten Ersatz. Wegen der weiterhin guten Wirtschaftslage ist auch nicht davon auszugehen, dass die Amerikaner Probleme bekommen, ihre Schulden zu bedienen.“

Trump jedoch will den Schuldenberg leichter tragbar machen – und drängt auf mehr Kontrolle über die Fed. Dazu muss er nicht einmal Jerome Powell aus dem Amt drängen. Gelingt es ihm, Fed-Gouverneurin Lisa Cook zu entlassen und einen eigenen Kandida­ten zu platzieren, dann hätte die Mehrheit des Direktoriums ein „Trump-Ticket“. Ulrich Kater nennt die Konsequenz: „In kurzer Zeit könnte zuerst die Fed unter politischen Einfluss geraten und kurz darauf die Landeszentralbanken.“

Dem US-Präsidenten gehe es dabei aber nicht in erster Linie um das Zinsniveau, erläutert Kater. „Die Fed legt nur die kurzfris­tigen Leitzinsen fest. Geht sie dabei zu weit runter, steigen die Inflationserwartungen und als Folge die langfristigen Zinsen. Es wäre nichts gewonnen.“ Laut dem Deka-Chefvolkswirt hat der US-Präsident unkonventionelle Maßnahmen im Sinn. Banken könnten verpflichtet werden, mehr in Staatsanleihen zu investie­ren – oder im Extremfall würde die Fed selbst kaufen: „Das haben wir in den USA oder auch in Japan schon gesehen.“

Ulrich Kater fasst zusammen: „Die spektakulären Politikwen­dungen der neuen US-Administration haben in der ersten Runde wenig Schaden angerichtet. Wir wissen aber nicht, ob diese Expe­rimente dauerhaft gut gehen. In diesem Umfeld sollte man bei Anleihen etwas zurückhaltender sein und Aktien wegen der ro­busten Verfassung der Unternehmen und ihrer positiven Gewinn­aussichten übergewichten.“

Europa tritt auf der Stelle.

In Europa ist der Zinssenkungszyklus bereits weitgehend abge­schlossen. Die Europäische Zentralbank (EZB) hat den Hauptrefi­nanzierungssatz in mehreren Schritten von 4,5 auf 2,15 Prozent in den neutralen Bereich reduziert. Die Inflation liegt mit 2 Pro­zent auf der Zielmarke der EZB. Doch die Konjunktur reagiert nicht. „Wir erleben trotz moderater Zinsen inzwischen zwei Jahre Wachstumsstillstand“, so Deka-Experte Kater. Das Problem liegt seiner Einschätzung nach tiefer. „Es ist keine temporäre Konjunk­turschwäche, die man mit niedrigen Zinsen beheben könnte. Es geht um strukturelle Mängel“, betont er. Gerade in Deutschland müsse die Politik im angekündigten „Herbst der Reformen“ wirk­same Akzente setzen.

Gleichzeitig stehen einige EU-Mitglieder vor ähnlichen Schul­denbergen wie die USA. Sorgen bereitet vor allem Frankreich mit einer Staatsverschuldung von etwa 114 Prozent und einem jähr­lichen Haushaltsdefizit im Bereich von 5,5 Prozent. Ulrich Kater sagt: „Der Druck auf Frankreich, politische Handlungsfähigkeit wiederherzustellen, ist beträchtlich. Unser Nachbarland sollte alles daransetzen, sein Haushaltsdefizit bis 2029 wie geplant auf 3 Prozent zu senken.“

Aktien stehen gut da.

Trotz ungelöster Aufgaben empfiehlt die Deka auch den Blick auf europäische Aktien. „Europas Wirtschaft und Europas börsennotierte Unternehmen sind zwei Paar Schuhe“, betont Schallmayer. „In vielen Branchen und auch Megatrend-Themen wie Infrastruktur, Elektrifizierung und Automatisierung dominieren europäische Weltmarktführer. Und ihre Aktien sind im Vergleich zu ihren amerikanischen Pendants günstiger bewertet.“
Das honorieren auch die Investoren. Der Euro Stoxx 50 liegt 2025 mit einem Plus von bislang etwa 10 Prozent gleichauf mit der US-Technologiebörse Nasdaq. Joachim Schallmayer rät ent­sprechend zu einem breit aufgestellten und ausgewogenen Aktienportfolio: „Wir würden momentan keine Region bevorzu­gen. Denn USA, Europa, Japan und die Schwellenländer haben jeweils ihre ganz eigene überzeugende Investmentstory.“

Quelle: fondsmagazin

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